30.05.2024 (Donnerstag)
Am frühen Morgen hat uns irgendwann mal der Regen geweckt. Zwischendurch rüttelten stürmische Böen am Auto. Wir stehen deshalb erst nach 8 Uhr auf, frühstücken und rufen danach mal zuhause an, um etwaige familiäre Sorgen wegen des Vulkanausbruchs auf der Reykjanes-Halbinsel bei Grindavík, der seit gestern Mittag wieder aktiv ist, zu zerstreuen. Wir sind einige hundert Kilometer weit davon entfernt.
Ehe wir Sauðárkrókur verlassen, besuchen wir eine im Reiseführer empfohlene Bäckerei und kaufen gute Brötchen und für den Nachmittag was Süßes zum Kaffee. Ein im Reiseführer erwähnter, altmodischer oder traditioneller Lebensmittel-/Krämer-Laden (Verszlun) ist leider geschlossen. Also verlassen wir den Ort und folgen der Straße Nr. 744 in nordwestlicher Richtung.
Nach etwa 15 km wechseln wir ins Laxárdalur auf die Straße Nr. 745. Diese Gegend ist der Ort der Laxdæla Saga, einer Chronik über die damals hier wichtigen Familien aus der Zeit des 11. bis 13. Jahrhunderts. Die Straße führt als Schotterpiste auf etwa 80 Kilometern um die Skagaheiði-Halbinsel. Die Beschaffenheit ist von unterschiedlichster Qualität, meist ist die Strecke aber gut zu befahren. Mit der Zeit entwickelt man einen Blick dafür und lernt, vor den gelegentlichen Ansammlungen von Schlaglöchern abzubremsen und ihnen auszuweichen. Wenn das auch nicht immer perfekt gelingt … 😉 – Unser blaues Wunder bringt uns auch auf diesem Abschnitt zuverlässig immer weiter nach Norden.
Irgendwo da oben, hinter Hraun, vor dem Kap Rifsnes, machen wir vorne im Auto Mittagsrast. Wir essen unsere Brötchen mit den Dingen aus der Kühlbox, an die wir von den Vordersitzen aus ran kommen ohne auszusteigen bzw. Türen oder gar Heckklappe öffnen zu müssen. Es ist derart windig, dass es schwer fällt die Türen festzuhalten, wenn der Wind sie aufdrückt, oder umgekehrt sie gegen den Wind zu öffnen. Es herrscht Windstärke 5-6 laut Wetterbericht. Es ist längst wieder sonnig um die Halbinsel, aber der Wind bläst eiskalt über den Klippen von Ketubjörg, einer durch Erosion verschwindenden Landschaft.
Schließlich erreichen wir den Leuchtturm Kálfshamarsvík bei Sviðningur. In seiner Umgebung finden sich auch Reste alter Torfgebäude aus den 1920er Jahren, die noch bis in die 1950er bewohnt waren, jetzt aber verfallen. Es sind fast nur Mauerreste übrig. Am Ufer entlang finden sich eindrucksvolle Basaltformationen in allen Lagen: senkrecht, waagrecht, hängend, liegend, grade und gebogen.
Manchmal, während der Fahrt, aber auch wenn das Auto steht und starker Wind weht, ist ein seltsames tönen zu hören. Ich merke, es ist die Eigenbau-Markise, die als aufgerollte Plane seitlich am Dachträger befestigt ist, durch die der Wind diese Töne erzeugt. Wir haben ein neues Instrument erfunden: Die Dachflöte ! – Sie ist aber nicht leicht zu spielen. 🙂
Ein Stück weit haben wir noch Schotter unter den Rädern, kommen vorbei an Fahrzeugresten die schon mal bessere Zeiten sahen, dann kündet der Übergang auf Asphalt von der nahenden Zivilisation.
Wir erreichen den Ort Skagaströnd gegen 15:45 Uhr und suchen uns einen etwas windgeschützten Platz und finden ihn am Ortsrand an einem kleinen Hügel vor der Küste. Der Hügel hält den Wind etwas ab. Ich parke auf einer Wendeplatte gleich unterhalb, dann koche ich Kaffee und Kakao und wir essen unsere süßen Stückchen. Manche Anwohner haben sich hinter ihren Fenstern vielleicht gefragt, ob wir jetzt hier vor ihrem Haus campen wollen. Keine Sorge: nach der Kaffee- und Kakao-Pause ziehen wir weiter.
Nach dieser Stärkung führt die Straße, jetzt mit der Nummer 74 in Richtung Blönduós nach Süden. Wir fahren kurz in den Ort hinein und umrunden zu Fuß die (geschlossene) moderne muschelförmige Betonkirche.
Wir setzen unseren Weg nach Südwesten auf der Ringstraße Nr. 1 fort und nach etwa 18 km zweigt die Schotterpiste 721 nach rechts ab nach Þingeyrar zur Þingeyrakirkja. Der Namensbestandteil Þing (Thing) deutet darauf hin, das hier früher mal Gericht gehalten wurde. Wir schauen uns das kleine (verschlossene) Kirchlein aus dunklem Gestein an und kehren dann zurück zur Ringstraße. Einen Eindruck vom Inneren kann aber dieser Bericht vermitteln. Hier wurde im Jahr 1133 das erste Kloster Islands errichtet.
Auf dem Weg zurück zur Ringstraße kommen wir an einem Trecker mit einem fehlendem Hinterrad und an einer Herde schöner Island-Pferde vorbei:
Ein gutes Stück weiter zweigt dann im Vídiðalur die Straße Nr. 716 nach rechts von der Ringstraße ab. Eine weitere Schotterpiste, die später am See Vesturhópsvatn in die Schotterpiste Nr. 711 einmündet und auf der wir dann die Halbinsel Vatnsnes umrunden wollen. Diese beiden Pisten, die 716 und die 711, sind teilweise sehr löchrig.
Zwei Schilder rechts und links der Piste weisen uns auf die Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h hin. Im Boden sind die ersten kleineren Schlaglöcher zu erkennen. Die meisten deutschen Autofahrer würden mit dem eigenen Wagen wohl eher 30 km/h fahren. Mit den hierzulande sehr verbreiteten, hochbeinigen Geländewagen kann man aber wirklich gut mit 80 km/h über die Piste brettern und die Isländer tun das auch. Ich bleibe mit unserem blauen Wunder darunter und fahre meist mit 60 km/h. Immer wieder denke ich dabei an die armen Reifen (zum Glück nagelneue Winterreifen).
Nach rund 30 Kilometern erreichen wir Hvítserkur, einen Basaltfelsen im Meer. Ein Monolith, der einsam den Wellen trotzt. Wir wandern hinunter zum Strand und an diesem ein ganzes Stück auf Steinen und schwarzem Sand entlang, so daß wir Hvítserkur („weißer Kittel“ wegen der Vogelexkremente) aus allen von Land aus möglichen Perspektiven im sonnigen Abendlicht fotografieren können. Natürlich bietet auch der Strand allerlei Sammlerstücke und das ein oder andere findet seinen Weg in unsere Taschen.
Zurück führt uns der Weg auf einem Trampelpfad über die Wiese oberhalb der Küste zurück zur Plattform am Parkplatz. Als ich so auf den Parkplatz zugehe muss ich sagen, unser blaues Wunder fällt zwischen all den modernen (und quasi gleichfarbigen) Fahrzeugen immer auf.
Der Satz des Tages mit Bezug zum Auto stammt von Clara: „Es ist doch schon so alt, das geht nicht mehr kaputt.“ – Der Umkehrschluß daraus wäre dann: nur neuere Autos gehen kaputt 🙂
Wir vollenden die Umrundung der Spitze der Halbinsel und fahren teils übel rumpelnd auf der Straße Nr. 711 weiter. Auf den letzten Kilometern vor Hvammstangi fordert uns eine größere Baustelle (die Straße wird ausgebaut) zur langsamen Fahrt wie in einer „Tempo 30 Zone“ auf. Am Ende der Baustelle kündigt schließlich ein neuer Asphaltbelag die Annäherung an die Zivilisation an und wir laufen um ca. 20 Uhr in Hvammstangi ein. Es handelt sich um einen netten kleinen Ort in schöner Lage. Der Campingplatz liegt bergseits etwas oberhalb des Ortes und wird am Abend in das Licht der untergehenden Sonne getaucht.
Hinter uns liegen heute 155 km Schotterpiste und sowohl wir, als auch das blaue Wunder wurden ordentlich durchgerüttelt. Wir kochen uns zur Belohnung Reis und Gemüse mit Thai-Curry-Soße und schreiben später unseren Text zum Reisetag in unsere Reisetagebücher. Oberhalb des Platzes liegt ein kleines Kirchlein, dem ich noch schnell vor dem Schlafengehen einen Besuch abstatte.
Dabei bemerke ich auch, dass es dort oberhalb noch ein angelegtes Wegenetz gibt, das zum Erkunden einlädt. Das machen wir morgen früh dann gleich als erstes … Gute Nacht.
Km-Stand: 231.322 (262 km gefahren)