10.05.2022

Island wir kommen! – Seit einer halben Stunde fährt das Schiff bereits durch den Seyðisfjörður, den Fjord dem das kleine Nest am Ende des Fjords seinen Namen verdankt. Dass gerade hier ein so großes Schiff seine Gäste und seine Fracht anlandet scheint im ersten Moment etwas absurd.

Um 10 Uhr Bordzeit, 9 Uhr Island-Zeit (nochmal -1 Stunde, jetzt -2 Stunden gegenüber Deutschland) befahren wir isländischen Boden. Aus Seyðisfjörður geht’s steil den Berg hinauf, in Nebel, leichtem Regen und schließlich Schneetreiben, aber schon bald wieder runter in die Ebene. Ein erster Vorgeschmack auf das was kommen sollte, aber das wussten wir noch nicht …

Weiter führt uns die Straße nach Egilsstaðir, wo wir nach links abbiegen um auf der Straße Nr. 95 und dann 931 am Lagarflót See entlang zu fahren. Nach dem Ort mit dem von Menschen vor Jahrzehnten angelegten Wald Hallormsstaður führt die Straße über eine lange Brücke auf die andere Seite des Sees, wo wir zunächst am Parkplatz des Hengifoss Wasserfalls vorbei fahren.

Unser erstes Ziel ist zunächst das Wohnhaus des Schriftstellers Gunnar Gunnarson, der sich hier im Fljotsdalur bzw. am Beginn des Nordurdalur (Namen von Tälern) von einem deutschen Architekten ein schmuckes Wohnhaus etwas oberhalb des Sees bauen ließ. Das Haus (inzwischen ein Museum) war aber leider geschlossen und so besuchten wir das daneben liegende Besucherzentrum für das Tal, in dem einiges über Flora und Fauna, sowie über die lokale Geschichte erzählt wird. Und natürlich gibt es einen angeschlossenen Souvenir-Shop. Wir wunderten uns noch, dass in dieser abgelegenen Gegend so ein großes Besucherzentrum steht und fragten uns, ob sich die Mitarbeitenden dort nicht langweilen, als auf dem Parkplatz drei Reisebusse aus Deutschland eintrafen und ihre meist älteren Reisenden – mutmaßlich Wikinger-Kreuzfahrende – in das Besucherzentrum entließ. Zuerst wurden die Toiletten gestürmt, danach der Souvenir-Shop. Wir ergriffen allmählich die Flucht.

Danach wollten wir einen Abstecher über die Straße 910 zum Laugarfell Highland Hostel machen und weiter zum Hálslón Stausee fahren. Diese Strecke ist die einzige asphaltierte Straße ins Hochland, die von normalen Fahrzeugen (ohne Allrad) befahren werden kann. Die Einmündung ist mit einer halbseitigen Straßensperre versehen, die darauf hinweist, dass man diese Straße auf eigene Verantwortung fährt und dass – wenn man Hilfe rufen muss – dies zu sehr hohen Kosten führen kann. Es ist trübe, grau, wenig Sicht.

Ich biege in die Straße ein nachdem ich die Beschilderung intensiv studiert habe. Ich denke, so lange Asphalt unter den Rädern ist wird es schon gehen. Sollte sich das ändern, muss eben entschieden werden ob das Risiko zu tragen ist oder eher nicht.

Es geht zunächst in Serpentinen steil hinauf. Auf dem Asphalt der nicht geräumten Straße liegen Steine herum. Nicht allzu große, meist nicht größer als eine Faust. Ich umkurve sie so gut es geht. War es im Tal noch nass, so schneit es nun wieder. Als die Steigung überwunden ist sind wir auf einer Höhe von ca. 700 m. Wie Schwarzwald also. Nur dass es im Schwarzwald Mitte Mai selten so schneit wie jetzt hier. Der Schnee wird aber vom Wind fast nur horizontal quer über die Straße geweht und bleibt eher am Fahrbahnrand liegen. Bis zum Highland Hostel sind es 32 km, danach noch einmal 23 km bis zum Stausee, die durch völlige Besiedelungsfreiheit führen. Hier ist niemand außer uns unterwegs. Gar niemand.

Die Landschaft, soweit erkennbar, ist karg und noch immer von Schneefeldern geprägt. Dazwischen schlängeln sich Gletscherflüsschen durch die Spalten und Risse in der teils meterdicken Schneedecke. Immer wieder halten wir kurz an um Fotos zu machen.

Als es nach einer erneuten Steigung in eine kleine Senke geht und die Straße, soweit noch erkennbar, unter einer geschlossenen Schneedecke liegt, ist der Moment gekommen eine Entscheidung zu treffen.

Nicht dass ich Angst vor Schnee hätte und ich hatte auch extra noch die Winterreifen drauf gelassen, worüber ich nun sehr froh bin. Nein, es war eher die Frage, ob wir 1-2 Stunden später auf dieser Straße, die niemand räumen würde, wieder zurück fahren können würden. Denn das müssen wir, einen anderen Ausgang aus diesem Gebiet gibt es nicht. Daher entschlossen wir uns nach ca. 25 km und somit etwa 7 km vom Laugarfell Highland Hostel entfernt, umzukehren (und beim Wenden auf der Straße nicht in den Graben zu fahren). So ist also diese erste besondere Unternehmung in Island am Schnee gescheitert.

Wir fahren also wieder zurück zur Straße 931 und halten dafür am Wasserfall Hengifoss an. Es geht vom Parkplatz über eine kleine Wanderung von ca. 30 Minuten zunächst steil hinauf entlang des dazugehörigen Flusses, der sich neben dem Weg durch die schroffen Felsformationen windet und dabei schon beachtlich rauscht. Der Weg wird durch den sich wieder verstärkenden Schneefall immer matschiger, stellenweise muss man durch eine Furt waten, was für Menschen mit Turnschuhen zu nassen Füßen führen kann, wenn sie mal vom einen oder anderen Stein abrutschen. Wir sind natürlich mit geeignetem Schuhwerk unterwegs 🙂

Kommt man schließlich beim Wasserfall an steht man vor einer hohen Wand, von der ein relativ schmaler Wasserstrahl herab fällt. Die Sichttrübung durch den Schneefall lässt leider nicht so stark erkennen, wie unterschiedlich die Farbgebung des Gesteins ist. Man kann es nur erahnen. Das ist zwar schade, aber eben nicht zu ändern. Auf den Fotos die ich auf dem Hinweg gemacht habe, ist das auch schon zu erkennen. Sonnenlicht würde die Farben natürlich schöner leuchten lassen. Schnee hingegen lässt uns die Region in der Island liegt noch einmal bewusster werden. Im Englischen heißt es nicht umsonst Iceland.

Wir kehren zurück zum Auto und folgen dann der Straße Nr. 931 auf der anderen Seite des Sees zurück in Richtung Egilsstaðir. Ein Teil der Strecke ist nicht asphaltiert und führt zudem durch eine Baustelle im geschotterten Bereich, wo man zwischen Lastwagen und Baggern hindurch kurven muss. In Deutschland wäre das undenkbar. Die Straße wäre schon aus Sicherheitsgründen (typisch deutsch) komplett gesperrt worden bis sie fertig asphaltiert wäre.

Unser zweites Ziel für heute liegt fast in der entgegen gesetzten Richtung am Meer. Der Ort Bakkagerði ist für die Möglichkeit bekannt, dort das isländische Tier (Vogel) schlechthin beobachten zu können, den Papageitaucher (Puffin). Die 62 km lange Strecke auf der Straße Nr. 94 ist nur etwa zu zwei Dritteln asphaltiert, und so fahren wir nach 15 km über weitere ca. 20 km auf einer Schotterpiste sehr unterschiedlicher Güte. Als wir uns dem Meer nähern, macht die Straße einen Bogen nach rechts und führt auf einen Gebirgszug zu. An einem Parkplatz sehen wir ein (deutsches) Wohnmobil stehen. Die Straße steigt an und schon nach wenigen Höhenmetern geht der leichte Regen wieder in Schneefall über, der mit jeder Kurve stärker wird und schon bald auf der Straße liegen bleibt. Kurze Zeit später kommt uns ein japanischer Mietwagen entgegen und signalisiert uns mit der Lichthupe und mit Gesten beim vorbeifahren, dass es nicht ratsam ist weiter zu fahren.
Ich ignoriere das zunächst und fahre ein Stück weiter. Die Straße führt weiter bergauf und erreicht etwa 400 m Höhe. Nach der nächsten Links-Kehre ist die Schneedecke zentimeterdick geschlossen, die Sicht beträgt nur noch wenige Meter. Zum zweiten Mal an diesem ersten Tag auf Island macht uns der Schnee einen Strich durch unseren Plan. Auf dieser Straße würde zwar sicher irgendwann ein Schneepflug fahren, aber auf den zu warten hatte ich nicht vor. Also drehten wir wieder mitten auf der Straße um und achteten dabei darauf, dem Straßengraben nicht zu Nahe zu kommen. Vielleicht hätten sich die Puffins (Papageitaucher) bei Schneetreiben auch gar nicht gezeigt.
Der weitere Plan sah vor, dass wir grob den Küstenstraßen entlang der Nordostküste fahren wollten. Also genau dahin, von wo der strenge Winterwind mit seinem Schnee herkam. Das versprach leider keine allzu tollen Aussichten, im wahrsten Sinne des Wortes. Hinzu kam, dass die Straße Nr. 917, welche an der Küste entlang in den nächsten Ort Vopnafjörður führte, erstens wieder eine Schotterpiste ist und zweitens ebenfalls über einen Pass auf über 600 m Höhe führte, wo ebenfalls wieder mit Schnee zu rechnen wäre. Und Schotterpisten werden bestimmt nicht vom Schneepflug geräumt. Also haben wir umdisponiert und sind statt dessen zunächst die Nr. 94 (auch Schotter) zurück gefahren bis zur Abzweigung nach rechts in die Straße Nr. 944 (Schotter) und weiter durch die Hroarstunga bis zur Straße Nr. 925 (nach links) und auf dieser weiter bis zur Ringstraße Nr. 1. – Es fühlte sich an wie „zurück in die Zivilisation“ zu kommen.

Da wir die Straße Nr. 917 (Schotter) wegen der oben erwähnten Passstraße auslassen werden, nehmen wir den Umweg über die Ringstraße Nr. 1 in das Jökuldalur Tal und fahren einfach so lange, bis wir einen Campingplatz sichten. Vorher halten wir bei ein paar unscheinbaren Torfgebäuden an (Hjarðarhaga), die uns als frühere Formen von Stallungen oder Lagerhäusern erklärt werden. Jetzt erkenne ich auch, welchen Belag der heutige Tag bereits auf dem Auto hinterlassen hat.

Auf der Höhe von Skjöldolfsstaðir ist es dann soweit. Ein äußerlich unscheinbares, aber innen recht imposantes Guesthouse wie aus einer vergangenen Zeit wartet rechts der Straße. Man bietet uns an auf dem Parkplatz übernachten zu dürfen, da die Wiese noch zu nass ist. Auch Strom können wir nutzen. Es gibt eine kleine Gemeinschaftsküche mit Gemeinschaftsraum die schon einmal bessere Zeiten gesehen haben. Aber für 1.500 Kronen (ca. 11 Euro) pro Person kann man nicht so viel erwarten. Wir sind zufrieden. Wir kochen und essen in der gut geheizten Küche und teilen den geringen Platz später noch mit anderen ankommenden jungen Gästen. Nebenan hat es großzügige Umkleide- und Duschräume sowie Toiletten. Wir schreiben wieder an unseren Tagebüchern und lesen im Reiseführer, bis wir es Zeit finden in die Schlafsäcke zu kriechen.

Blau eingezeichnet die zurück gelegte Strecke – (raw Map by OpenStreetMap.org)

Km-Stand: 204.385 (280 km gefahren)

Tag 11 – Ankunft in Seyðisfjörður (Island)

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