03.06.2024 (Montag)
Obwohl wir relativ früh im Bett waren und trotz Wecker um 7:30 Uhr, stehen wir erst um 9:15 Uhr auf. Es ist einfach sehr warm und gemütlich in unseren Schlafsäcken. 🙂 Doch das deutlich bessere Wetter lockt uns endlich raus. Unser Frühstück nehmen wir wieder im Auto ein. Die Luft draussen fühlt sich zwar milder an als gestern. Aber nur so lange kein Wind weht, der ist nämlich eisig.
Während wir danach wieder alles im Auto verstauen, beobachten wir eine Gruppe Wanderer, die einen ausgeschilderten Pfad am Wasserfall entlang erklimmen, der sich gegenüber des Campingplatzes vom Berg herab stürzt.
Gegen 10:45 Uhr fahren wir zum Supermarkt „Bonus“, um uns mit ein paar frischen Sachen zu versorgen. Er öffnet erst um 11 Uhr und schließt um 16 Uhr wieder. Die Isländer arbeiten vorher und/oder nachher an anderen Stellen und haben ganz offenbar einen anderen Lebensrhythmus als wir es gewohnt sind.
Da wir etwas zu früh dran sind, nutzen wir die Zeit und tanken an der „Orkan“-Tankstelle nebenan für günstige 319,7 ISK je Liter. Das sind immerhin 5-6 Kronen weniger als an den letzten Tankstellen, die wir passierten. Der „Bonus“-Parkplatz füllt sich schlagartig kurz vor 11 Uhr.
Wir kaufen Salat, Karotten und Paprika ein. Ausserdem Käse, Salami und einen Fruchtsaft. Praktisch ist, dass wir die meisten Sachen ganz gut in der Dachbox frisch halten können, da die selten warm wird. Am Nudelregal bleiben wir stehen und machen Preisvergleiche. War eine gute Idee das meiste mitzunehmen.
Gegen 11:45 Uhr verlassen wir Ísafjörður nach Norden in Richtung Bolungarvík. Nach dem etwa vier Kilometer langen Tunnel liegt rechter Hand das kleine Fischereimuseum Ósvör, das aus einigen restaurierten Fischerhütten aus dem 19. Jahrhundert, sowie einer Trockenhütte für Fisch besteht. Vor zwei Jahren standen wir hier vor verschlossenen Türen und konnten die Hütten nur von aussen betrachten. Heute ist geöffnet und der Eintritt soll 1.200 ISK (ca. 8 €) pro Person kosten, aber es ist nur passende Barzahlung möglich. Mein Bestand an passendem Bargeld reicht nur für 2.000 ISK aber wir dürfen rein.
Vor dem Kassenhäuschen komme ich mit einem wartenden Mann ins Gespräch, den ich zuvor nach Wechselgeld gefragt hatte. Er ist Pole und lebt hier in Island. Auf meine Frage ob er nicht auch die Fischerhütten besichtigen würde meinte er, er begleite Freunde die ihn hier besuchen und er sei schon viermal drin gewesen, das sei genug. Er warte hier bis seine Freunde wieder heraus kommen.
Er wiederum fragt mich, ob ich von der Sturmwarnung gehört habe. Er erzählt, dass es bereits bis zum Myvatn geschneit habe, dass Straßen gesperrt wurden, und dass die Wasserfälle Dettifoss und Selfoss wegen verschneiter Straßen nicht mehr erreichbar seien. Ich staune und bedanke mich für die Info. Da haben wir ja richtig Glück gehabt, dass wir das genannte Gebiet bereits durchfahren haben und dabei sogar recht schönes Wetter hatten. In den Westfjorden soll es zwar nicht so schlimm werden, aber es sind in Küstennähe und an den Berghängen bis zu acht Windstärken angesagt. Das ist schon recht ordentlich. Er gibt uns noch die Empfehlung, bei starkem Wind in der Mitte der Fahrbahn zu fahren, weil man so besser auf die seitlichen Böen reagieren kann. Zumindest solange kein Gegenverkehr kommt ist das praktikabel und wir werden noch sehen, dass das vor allem die LKW- und Transporter-Fahrer tatsächlich so machen. Ich bin froh, dass wir keines dieser großen weißen Wohnmobile fahren, sondern unser deutlich kleineres blaues Wunder 🙂 – Ich muss auch damit stark gegen die heftigen Böen ankämpfen.
Nach der Fischerhütten-Besichtigung fahren wir nach Bolungarvík weiter, von wo aus wir direkt die geschotterte Stichstraße Nr. 630 über den Berg nach der Bucht Skálavík nehmen. Auf der 12 Kilometer langen Piste passieren wir auf der Berghöhe meterhohe Schneewände. Es geht steil hinauf und ebenso steil wieder hinunter. Vor der Bucht liegt eine grüne Wiesenlandschaft und ein paar Häuser bzw. Höfe, zu denen wohl die Schafe auf den weitgehend zaunlosen Weiden gehören. Ein Toilettenhäuschen steht einsam und verschlossen auf einer Holzplattform mit zwei Picknickbänken.
Wir machen einen Strandspaziergang und treffen ausser den abgebildeten Schafen auch den Polen wieder, der seinen Bekannten auch die Bucht hier zeigt. Er lebt hier in den Westfjorden und liebt diese Gegend. Für ihn ist das der schönste Teil Islands und das können wir gut verstehen. Er hat aus einiger Entfernung ein Foto von uns gemacht und zeigt es uns. Wir tauschen die Telefonnummern aus, damit er mir das Bild schicken kann, kurz darauf tue ich es ihm gleich und schicke ihm ein Foto das ich von ihm aufgenommen habe. Seither schickt er mir bis heute immer wieder Bilder aus den Westfjorden, darüber freue ich mich immer sehr 🙂
Wieder zurück in Bolungarvík machen wir Mittagsrast an einem Parkplatz am Ortsende. Direkt beim Parkplatz befindet sich ein Denkmal in Form eines steinernen Schiffes, das an eine der größten Schiffskatastrophen Islands während des zweiten Weltkrieges erinnert. Eine Gedenktafel klärt über das Geschehen auf. Der Blick schweift von hier über den Meeresarm Ísafjarðardjúp zum gegenüberliegenden Snæfjallaströnd, sowie dem nördlichsten Zipfel der Westfjorde, dem abgelegenen und nur während der Sommermonate übers Wasser zugänglichen Naturreservat Hornstrandir. Der frische Nordwind nimmt zu, die Wolken am Himmel sehen immer bedrohlicher aus.
Wir wollen noch Islands ältesten Buchladen, The old Bookstore in Flateyri besuchen, ehe er um 17 Uhr schließt. Daher verkneifen wir uns den Abstecher über die Straße Nr. 65 nach Suðureyri und machen uns auf den Weg. Dennoch nehme ich versehentlich in Ísafjörður erstmal den falschen Weg und fahre ein Stück auf der Straße Nr. 61 auf der wir hierher kamen zurück. Ich bemerke meinen Irrtum aber schnell und nach einer Wende wird der Kurs korrigiert und wir steuern in den Tunnel, der den alten Weg über die Breiðadalsheiði ersetzt. Im Tunnel folgen wir nicht dem Abzweig nach Suðureyri, sondern fahren weiter und zweigen einige Kilometer nach dem Tunnelende auf die Straße Nr. 64 nach Flateyri ab. Wir finden den Buchladen in einem schmucken Häuschen an der schnurgeraden Hauptstraße entlang des Fjordes.
Optisch und atmosphärisch ist der Oldest Bookstore etwas besonderes, aber er verkauft vieles zu überhöhten Preisen wie wir finden. Aussergewöhnlich ist, dass es hier auch alte Bücher in anderen Sprachen gibt, darunter auch deutsche. Leider aber keines das uns interessiert. Als Buchladen bleibt er hinter unseren Erwartungen zurück, die teils durch großspurige Werbung an einigen Orten und auch im Reiseführer geweckt wurden. Das Gebäude selbst ist aber schön und liebevoll erhalten. Unweit davon finden wir das Wirtshaus Vaginn (Wagen) an dessen Fassaden-Stirnseite ein tolles Wandmotiv prangt.
Wir entscheiden uns zu für einen kleinen Spaziergang am Ortsrand, wo nach einem Lawinen-Unglück mit 20 Toten im Januar 1995 eine mächtige Lawinenschutz-Anlage errichtet und 1998 fertig gestellt wurde. Solche Anlagen sind in Island an gefährdeten Orten inzwischen Pflicht.
Wir kehren zurück zur Straße Nr. 60 und fahren südwärts nach Þingeyri, unserem heutigen Tagesziel. Der Campingplatz hier soll sehr gut sein und über einen (warmen!) Gemeinschaftsraum verfügen. Tatsächlich finden wir einen vorbildlichen Platz in direkter Nachbarschaft des örtlichen Schwimmbades vor. Auch andere Camper-Reisende, die wir unterwegs schon ein paarmal gesehen haben, sind hier.
Wir fangen als erste an im Haus zu kochen, dann beginnt ein Run auf die Küche. Plötzlich kochen und essen vier „Paare“ hier, inklusive uns. Bei uns gibt es Spiralnudeln mit Karotten-Gemüse, Paprika und Schafskäse, dazu Salat. Plötzlich spricht mich einer der anderen Männer auf schwäbisch an. Er ist aus Aalen und drei Wochen mit einem gemieteten Wohnmobil unterwegs. Wir unterhalten uns eine Weile.
Sie sind in gegensätzlicher Richtung (also im Uhrzeigersinn) unterwegs. Das bedeutet, sie fahren in Richtung des Sturmgebiets, während wir aus diesem heraus gefahren sind. Er wußte noch nichts von der Sturmwarnung und bedankt sich für den Hinweis. Normalerweise informieren die Vermieter ihre Kunden via Handy über solche Dinge. Ich berichte ihm, was ich von dem Polen gehört habe.
Wir schreiben unseren Tagesbericht, dann geht es bereits wieder auf 22 Uhr zu. Jetzt ziehen Regenwolken über den Fjord und in die Bucht. Wir sitzen noch im Gemeinschaftshaus, aber das Auto muss noch zum Schlafen umgemodelt werden. Inzwischen sind wir bei 22 Stunden Tageslicht pro Tag angekommen.
Zum Abschluss des Tages unternehmen wir einen Abstecher zu einem nahegelegenen „Wikingerdorf“ am Ortsrand unweit vom Campingplatz. Dort wird jedes Jahr ein Wikingerfestival gefeiert, Musik gemacht und die Landnahme (Erstbesiedelung) im 9. Jahrhundert nachgespielt. Natürlich gibt’s da auch reichlich zu essen. Þingeyri zählt zu den ältesten Handelsplätzen Islands und ist der älteste in den Westfjorden.
Km-Stand: 231.977 (135 km gefahren)