04.06.2024 (Dienstag)

Heute stehen wir schon um kurz vor 8 Uhr auf, um nicht wieder so viel Zeit gleich am Anfang des Tages zu „verlieren“. Wobei die Zeit ja nicht wirklich verloren ist, sondern eher genossen. Schließlich müssen wir nicht hetzen, wir sind ja auf Urlaubsreise. Wir frühstücken gemütlich im Gemeinschaftsraum, heute mal unser Müsli mit warmer Milch, erhitzt in der vorbildlichen Küche. Ganz ungewohnt, soviel Komfort … 😉

Wir starten gegen 9:30 Uhr auf der Straße Nr. 60 aus Þingeyri und biegen am Ortsende auf die Straße Nr. 626 ab. Dies ist die alte Straße Nr. 60, die nur als Schotterpiste auf die Hrafnseyrarheiði hinauf führt und den Pass auf 552 m Höhe überquert, ehe sie dann zum Arnarfjörður hinunter führt.

Vorher statten wir aber dem 367 m hohen Sandafell, dem Hausberg hinter Þingeyri, einen Besuch ab. Dazu lassen wir das Auto an der Straße Nr. 626 stehen und gehen zu Fuß den Berg hinauf. Clara ist dabei wieder ganz in ihrem Element und sammelt gaaaanz viele Steine. Als wir losgehen hängen noch Wolken am Berg, die sich aber allmählich verziehen. Oben bietet sich uns ein beachtlicher, wenn auch nicht ganz klarer Blick auf das Meer, die Fjorde und die Berge rundherum, auf Þingeyri und auf den kleinen Flugplatz, der auf der Rückseite des Sandafell liegt.

Auf dem ansonsten völlig kahlen und steinigen Gipfel stehen, wie auf fast allen Gipfeln, ein paar Sendemasten. Einer der Gründe, warum hier fast überall eine sehr gute Internet- und Mobilfunk-Netzabdeckung existiert, deren Nutzung allerdings auch recht teuer sein kann (kein EU-Roaming).

Rundum-Blick vom Gipfel des Sandafell

Als wir wieder unten beim Auto ankommen ist es kurz nach 11Uhr. Der weitere Verlauf der Straße Nr. 626 führt als Schotterpiste an einigen Cottages und Guesthouses vorbei. Als die letzten Häuser hinter uns liegen, kommt das Schild das wir schon kennen und die halbe Fahrbahn einnimmt. Die Straße ist zwar nicht gesperrt, aber das Befahren erfolgt auf eigene Gefahr. Und muss Hilfe gerufen werden (z.B. weil man im Graben landet oder fest steckt und nicht aus eigener Kraft raus kommt), kann das richtig teuer werden.

Natürlich fahre ich erst einmal weiter, tiefer ins Tal, dann beginnt der Aufstieg und die immer wieder richtig schlechte Piste wird nun auch richtig steil. Im zweiten Gang erklimmen wir die Höhe, wo dann von rechts Schneereste in die Fahrbahn herein ragen und die rechten Räder immer wieder den Schnee touchieren. Links geht’s steil hinab, Leitplanken oder sonstige Begrenzungen gibt es nicht und die winterlichen Witterungseinflüsse haben den Pistenrand ausfransen und durch die Schmelze weich werden lassen. Aber noch geht’s. Wir sind doch schon fast oben, denke ich.

Tatsächlich sind wir auf rund 500 m Höhe, als größere Brocken auf der Piste liegen. Den ersten, ein sehr großer Steinbrocken (halbes Kühlschrank-Format) der rechtsseits in der Piste liegt, umfahre ich auf der linken (weichen und ausgefransten) Seite noch vorsichtig. Kurz danach liegt eine geschlossene Schneedecke vor uns und aus dieser ragt in einiger Entfernung ein Steinbrocken in der Größe eines ganzen Kühlschranks mitten auf der unter dem Schnee verborgenen Fahrbahn. Ich steige aus, um die nächsten 100-150 Meter zu Fuß zu erkunden. Der Schnee ist hart gefrorener Firn, etwa 10-30 cm dick, nach rechts ansteigend. Ich muss einsehen, dass das nicht machbar ist, keine Chance. Das wäre Wahnsinn und sowieso spätestens bei dem Kühlschrank-Klotz zu Ende. Also wieder mal umkehren. In diesem Fall bedeutet das: Rückwärts fahren, denn wenden ist hier nicht möglich.

Ich fahre langsam rückwärts, umkurve dabei erneut vorsichtig den Steinklotz und fahre immer hart am Schneerand entlang. Etwa 250 Meter geht das so bei höchster Konzentration. Dann kommt endlich eine Stelle, an der ich in fünf Zügen wenden kann. Vorwärts geht’s nun wieder steil hinab (ca. 12 % Gefälle) bis nach Þingeyri zurück, wo wir statt Wildnis nun die zivile Variante in Form der asphaltierten Straße Nr. 60 durch den etwa fünf Kilometer langen Tunnel nehmen.

Der Ausflug mit der (erneuten) Kapitulation am Ende hat uns Zeit gekostet und wir sind etwa 14 Kilometer Schotterpiste umsonst gefahren. Läge kein Schnee mehr, wäre das sicher eine wunderschöne Strecke und auf jeden Fall eine Abkürzung. Nun aber müssen wir zusätzlich auch noch den längeren Umweg fahren um unser nächstes Ziel, Hrafnseyri am Arnarfjörður, zu erreichen.

Clara stellt bei dieser Gelegenheit fest, dass wir es bisher (inklusive 2022) dreimal versuchten und dabei noch keine der „halb gesperrten“ Straßen erfolgreich nutzen konnten, sondern immer umkehren mussten. Da hat sie recht, deshalb werden wir das in Zukunft auch besser bleiben lassen. Man soll sein Glück nicht herausfordern. Und Glück hatten wir mindestens zweimal.

Wir nehmen also den Umweg auf der Straße Nr. 60 und biegen nach dem Tunnel rechts ab nach Hrafnseyri. Es handelt sich hierbei um den Geburtsort des isländischen Nationalhelden Jón Sigurðsson (1811-1879). Wir besuchen das dort eingerichtete (kostenlose) Museum mit einer sehr informativen Ausstellung über das Leben Jón Sigurðssons und die zeitgleich vor allem in Europa stattfindenden politischen Entwicklungen. Ein Torfhaus-Ensemble mit Café und kleiner Kirche runden alles ab. Da diese Kirche zu Abwechslung mal offen ist, schauen wir uns natürlich das Innere an.

Es ist ca. 13:30 Uhr als wir uns Kaffee, Kakao und Waffeln mit Erdbeer-Marmelade und Sahne im Museums-Café schmecken lassen. Frisch gestärkt machen wir uns anschließend auf den Weg zurück zur Straße Nr. 60, die jetzt als Schotterpiste weiter führt zum eindrucksvollen Dynjandi– bzw Fjallfoss.

Obwohl wir diese Kaskade aus einem großen und fünf kleineren Wasserfällen bereits vor zwei Jahren (2022) bei besserem Wetter besichtigt haben, steigen wir den Weg noch einmal hoch. Es sind deutlich mehr Besucher da als damals. Die Wege entlang der Fälle werden gerade durch Bauarbeiter ausgebessert, daher können manche exponierte Stellen nicht begangen werden. Es ist trotz dieser Einschränkung ein Ort der starken Eindruck macht.

Nach diesem kleinen Ausflug setzen wir die Fahrt auf der Straße Nr. 60 über die Dynjandisheiði fort. Die Piste ist teils sehr löchrig und es fällt schwer, all den dicht gesäten Schlaglöchern auszuweichen. Es ist schlicht unmöglich. Am Ende des Winters werden durch die Schneeschmelze und das Schmelzwasser die unbefestigten Straßen stark in Mitleidenschaft gezogen.

Ist der Schnee aber erst einmal weg, sind die Isländer recht schnell im Ausbessern der Löcher und dem Neuschottern ganzer Trassen. Dazu lagern an vielen Orten vorsorglich große Mengen an Schotter. Wir sind jetzt gerade in so einer Zwischenzeit unterwegs. Der Schnee ist weg und die Löcher da, aber die Ausbesserungsarbeiten sind noch nicht so recht angelaufen.

Als dann plötzlich durch Schilder Bauarbeiten angekündigt werden wird es noch schlimmer – die Schotterpiste wird zu einer Art Buckelpiste – ehe es dann besser wird. Schöne Grüße an die Federung und die Stoßdämpfer! Eine neue und breitere Trasse wird angelegt und vermutlich wird diese dann auch asphaltiert, denn: Auch LKW’s fahren hier durch, ganz zu schweigen von den Touristen-Bussen die in den nächsten Jahren hierher kommen sollen. Der Tourismus ist für Island enorm wichtig und grade für diese schwache und dünn besiedelten Westfjorde eine Hoffnung. Aber das kann auch schnell zum Fluch werden, wenn nicht auf Naturverträglichkeit geachtet und der Andrang an den touristischen Hot-Spots ein wenig reguliert wird.

Bevor die Straße Nr. 60 von der Passhöhe wieder steil hinab führt zum Vatnsfjörður, zweigen wir auf die Straße Nr. 63 nach Bíldudalur ab. Von den 34 Kilometern ziehen sich 28 wieder in der uns schon bekannten Schotterausführung der löchrigsten Art rumpelnd und rüttelnd unter den Rädern dahin.

Blick durch die Windschutzscheibe auf die Piste Nr. 63 nach Bíldudalur

Unterwegs stoppen wir an einer schönen Picknick-Stelle samt Picknick-Steintisch an einem Wasserlauf, der unter einer kleinen Brücke die Schotterpiste kreuzt und dabei auch einen kleinen Wasserfall bietet.

Ein Tesla mit zwei sehr jung-dynamisch aussehenden Männern rauscht vorbei. Kurze Zeit später treffen wir sie wieder. Sie stehen auf dem Parkplatz eines offenbar in den einschlägigen online-Medien als „must-have-seen“ beworbenen Hot-Pots (ein Natur- und zwei angelegte Becken) und hüpfen grade in Badehosen in das Becken des Natur-Pots. Zwei Fahrrad-Reisende schauen etwas irritiert und ungläubig zu, wie die beiden wohl hauptsächlich für Smartphone-Fotos ins Wasser steigen, nicht so sehr wegen des Erlebnisses selbst. Wir schauen uns die Anlage auch an, verkneifen uns aber das Bad in diesem Pot, obwohl die angelegten Becken (siehe Foto unten) grade frei wären. Es kommen noch andere.

Wir passieren den an der Straße Nr. 63 und am Fjord gelegenen Flugplatz von Bíldudalur und erreichen kurz nach einem Abzweig auf die Straße Nr. 619 den Ort Bíldudalur selbst. Hier interessieren wir uns für das dort ansässige Monster-Museum (!) – ja, wir wollen jetzt mal Monster sehen.

In der Ausstellung (ca. 10 Euro/Person) gibt es auf Postern Erklärungen zum Begriff des „Monsters„, sowie auf Monitoren abspielbare Augenzeugen- und historische Berichte von Sichtungen solcher Wesen. Alles ist garniert mit diversen Exponaten im Halbdunkel und einem interessanten Multimedia-Tisch mit einer Karte, auf der Sichtungen und Geschichten dokumentiert sind und angewählt werden können. Vor allem der Arnarfjörður scheint das isländische „home of monsters“ zu sein.

Kurz vor Schließung des Museums begehen wir im Café unser Cappuccino und Kakao-Ritual und fahren anschließend der Straße Nr. 63 über die Tunguheiði folgend, weiter nach Tálknafjörður am gleichnamigen Fjord. Denn hier, etwa dreieinhalb Kilometer hinter dem Ortsausgang an der Straße Nr. 617, befindet sich der Hot-Pot „Pollurinn“. Hier baden eher Einheimische, alte und junge, sowie Handwerker nach Feierabend.

Wir baden im herrlich warmen Wasser und entdecken dabei in der Bergflanke auf der anderen Fjordseite ein etwas grimmiges Gesicht im Fels. Nach etwa 45 Minuten raffen wir uns zur letzten Etappe auf.

Dem Bad entstiegen, statten wir der modernen Kirche (aus dem Jahr 2002) einen kurzen Besuch ab. In der verschlossenen Kirche stehen ein Altar und Rednerpult, die jeweils aus schwarzem Basalt gefertigt sind und auf die wir durch ein Fenster einen Blick erhaschen können.

Es ist etwa 20:15 Uhr als wir die letzten 14 Kilometer auf Asphalt nach Patreksfjörður in Angriff nehmen. Auf dem gut ausgestatteten Campingplatz dort angekommen, beginne ich sofort damit zu kochen. Heute steht Reiscurry mit Erbsen und Möhren auf dem Speiseplan. Danach nehmen wir unsere allabendliche Schreibarbeit auf, heute mal begleitet mit Keksen und Chips.

Unsere Route heute – (raw Map by OpenStreetMap.org)

Km-Stand: 232.158 (181 km gefahren)

Tag 19 – Eine abenteuerliche Fahrt zu Islands Monstern

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