07.05.2022
Nach kalter Nacht (in der wir aber nicht gefroren haben) schälen wir uns aus dem Schlafsack und dem Auto. Zum Frühstück begeben wir uns in den Gemeinschaftsraum und denken darüber nach, wie wir den Tag gestalten wollen. Eine kleine Wanderung in der Nähe um einen kleinen See, den wir gestern bei der Anfahrt zum Platz gesehen hatten, bietet sich an. Es ist bereits 12 Uhr als wir endlich aufbrechen. Nach kurzer Fahrt halte ich an einer kleinen Abzweigung auf der schmalen Straße am rechten Straßenrand an. Im Bankett der Straße, weil sie eben so schmal war. So sollten andere an uns vorbei kommen können.
Ich wollte auf der Karte nachsehen, ob wir da nicht hätten links abbiegen sollen.
Es stellt sich heraus, dass das gut wäre, deshalb setze ich zurück um dann links abzubiegen. Nur leider passiert ein Missgeschick: Beim Zurückfahren mit den Rädern auf dem sandig-steinigen Randstreifen (Bankett) habe ich übersehen, dass dieses in einen Graben übergeht. Nach wenigen Metern sackt daher das rechte Hinterrad in den Graben ab. Der sofortige Versuch wieder vorwärts raus zu kommen scheitert. Nach drei Versuchen hat sich das Rad soweit ins Bankett gefräst, dass es frei dreht und der Achsschenkel auf dem Asphalt aufsitzt. Zunächst versuche ich, mit Steinen das Rad wieder zu untermauern, aber vergebens. Bei jeder Radumdrehung fliegt alles weg und das Loch drumherum wird nur größer.
Der Schweizer Franzose, der heute Vögel beobachten gehen wollte, kommt kurz darauf mit seinem E-Bike angeradelt. Sofort beginnt er uns zu helfen, gemeinsam versuchen wir noch einmal Steine unter das frei drehende Rad zu bauen. Als das nichts nützt, versuchen wir den Wagenheber unter das Fahrzeug zu bekommen, um dann unter das angehobene Rad wieder etwas Boden bauen zu können, aber dazu ist die Bodenfreiheit bereits zu knapp. Ein BMW mit zwei jungen Männern kommt vorbei und ich halte den Wagen an um nach einem Abschleppseil zu fragen, denn damit könnten sie mich raus ziehen.
Der Fahrer verneint, beginnt aber sofort zu telefonieren. Nach kurzer Zeit trudeln immer mehr Fahrzeuge ein, bis fast eine Fußball-Mannschaft beisammen ist. Die jungen Männer helfen nun mit gemeinsamer Anstrengung, den Wagen wieder vorwärts zu schieben.
Was vorher aussichtslos erschien, ging nun plötzlich kinderleicht und – Schwupp – war unser Auto wieder flott. Nach anerkennendem Applaus unsererseits verschwanden die helfenden Hände so schnell wie sie gekommen waren. Wir packten alles wieder zusammen und setzten unseren Weg fort. Den Schweizer sahen wir später noch einmal kurz von weitem, dann nicht mehr. Spätestens auf der Fähre werden wir uns wohl wieder begegnen.
Wir suchten den Einstieg zur geplanten Wanderung. Es war inzwischen eine ganze Stunde vergangen, also bereits 13 Uhr. Als wir nicht fündig wurden, beschlossen wir nach Runavik zu fahren (wo der Weg auch vorbei führen sollte) und von dort aus zu wandern. Wir fanden den Zugang zu einem angelegten „Parcours“ in einem Biotop, das auch mit künstlerischen Elementen bestückt war und die Natur als Künstler zeigen sollte. Den beschriebenen Rundwanderweg konnten wir beim besten Willen nicht finden. Auch nicht, als wir auf eine der höchsten Erhebungen stiegen und einen sehr guten Rundumblick hatten.
Im Hafen von Runavik fand an diesem Samstag so etwas wie ein Bootsfestival statt. Das konnten wir vom Hügel aus erkennen. Es waren viele Menschen, ganze Familien da. Mindestens zwei Segelschiffe waren vor Ort und in den Gewässern kreuzten auch zwei kleinere Militärboote.
Nach der Rückkehr zum Auto besuchten wir noch rasch einen Supermarkt, denn es gelüstete uns nach Salat und Käse. Außerdem kauften wir für Clara noch etwas Wolle und Stricknadeln. Seit wir auf der Überfahrt einen Wollpulli für sie gekauft hatten, möchte sie sehr gerne (wieder) diese gleichmäßigen links gestrickten Maschen erlernen.
Wieder war es etwas ungewiss, welchen Campingplatz wir als nächstes ansteuern sollten. Auf der Karte waren zwei eingezeichnet die in Frage kamen: Einer in Skalá (Skalí) und einer in Selatrád. Über letzteren hatten wir gehört (vom Schweizer) dass der geschlossen sei. Wir fuhren also auf der Straße Nr. 15 zurück, blieben an der Küste bis zum Fjordende und fuhren dann auf der anderen Seite wieder südwärts. In Skalá bogen wir kurz ab und folgten der vorhandenen Campingplatz-Beschilderung zu einem Sportgelände direkt unterhalb der Straße. Ein asphaltierter Platz, Stromsäulen waren vorhanden aber offenbar verriegelt. Einrichtungen wie Toiletten oder Duschen waren nicht zu erkennen bzw. ebenfalls verschlossen.
Möglicherweise hätte es uns Klarheit verschafft, wenn wir in dem Sport-/Vereinsheim gefragt hätten. Letztlich fanden wir aber den Platz auch nicht ansprechend. Wir beschlossen daher, zu dem anderen zu fahren. Sollte es dort wirklich keine Möglichkeit geben, könnten wir immer noch wieder hierher zurück kehren.
So fuhren wir weiter südwärts bis zum Ende der Landzunge, wo eine kleine Straße nach links abbog in Richtung Kap. Dort ist ein Denkmal errichtet für Menschen, welche ihr Leben auf See gelassen hatten, oder noch heute lassen. Immerhin: Der jüngste Eintrag auf der Stele ist von 2007.
Nach diesem kleinen Abstecher ging es wieder zurück auf die Küstenstraße, welche nun wieder ihren Ausbaustatus änderte. Sie führte als schmale, teils geschotterte, dann wieder breitere und asphaltierte Straße bis ins Örtchen Selatrád und endet dort. Campingplatzschilder lotsen uns zu einem Parkplatz am Hafen. Ein ziemlich trostloses Toilettenhäuschen ist verschlossen, alle Wasserleitungen liegen abgetrennt dahinter. Stromsäulen sind zwar vorhanden, werden aber offenbar mittels einer Karte in Verbindung mit einem Anruf beim Betreiber aktiviert. Das selbe System ist auch bei den Bootsanlegern im Hafen installiert. Etwas ratlos klopfe ich an einem der neueren Wohnhäuser an, keine Reaktion.
Am Hafen ist ein Auto vorgefahren. Ein Mann steigt aus und geht zu einem der Boote um dort etwas zu arbeiten. Als er wieder ins Auto steigt gehe ich hin um zu fragen, wie es um den Platz steht und ob wir hier über Nacht stehen bleiben dürfen. Und ob es funktionierende Toiletten gibt. Er zeigt auf ein gelbes Haus oberhalb und sagt, das „Girl“ das dort wohne, würde uns hier stehen sehen und würde nach einiger Zeit kommen und uns alles erklären. Er fuhr weg – und aus dem Haus kam – niemand.
Dann kam ein Wohnmobil und – oh Wunder – es waren die Menschen die wir aus Klaksvik kannten. Sie kamen kurz darauf mit einem Hundebesitzer auf seiner Gassi-Runde ins Gespräch, der dann meinte, bei dem weißen Haus (er zeigte auf einen Hang am Ortsende), neben dem ein kleines rotes mit Grassoden-Dach steht, dort seien Toiletten und Duschen die geöffnet seien. Dort könnten wir hin, und dort auch stehen bleiben. Kostet nichts.
Gesagt getan. Wir fanden einen im Bau befindlichen Platz ohne Personal, ohne Strom, aber mit Wasser (auch heißes) und Toiletten mit Duschen, wenn auch nicht gepflegt so doch soweit sauber und benutzbar (Bauarbeiter nutzten sie wohl während der Wochentage zuvor).
Hinter dem Häuschen befindet sich in den Hang gebaut eine Art Amphitheater mit kleiner Arena, sowie daneben ein kleines, eingehegtes Wäldchen. Es ist ruhig und still, nur Schafe blöken und der Wind pfeift ein wenig. Wir kochen und essen im Freien im Windschatten unseres Autos.
Irgendwann kommt ein dunkles Fahrzeug zügig die Straße unterhalb entlang gebraust und hupt zweimal kurz. Das Fahrzeug stoppt kurz darauf an einer Art Pferch, der Fahrer steigt aus und ruft die Schafe. Die kommen aus allen Richtungen im Umkreis eines halben Kilometers angelaufen. Einige schnell, andere sehr gemächlich und mit vielen Umwegen über noch zu rupfendes Gras, das sie nebenbei auch ihren Lämmern zeigen. Das alles ist auch begleitet von zahlreichem „Mäh!“ aus allen Richtungen und vielen Schafsmäulern. Ein imposantes Schauspiel, das ich so noch nie beobachtet habe.
In Ermangelung eines gemütlichen Gemeinschaftsraumes lesen wir heute ein wenig im Auto, ehe wir uns schlafen legen.
Km-Stand: 204.046 (55 km gefahren)