17.05.2022

Heute stehen wir später auf, erst gegen 8:20 Uhr. Und zum Frühstück gibt’s heute mal Brot & Aufstriche statt Müsli. Schließlich hatten wir gestern ja extra Brot gekauft. Es ist angenehm mild, die Sonne scheint, der Bach rauscht neben uns, die Vögel geben ihre typischen Laute von sich. Gegen 10:40 Uhr starten wir und lassen den Abstecher auf der Straße Nr. 65 nach Sudureyri aus. Statt dessen machen wir uns auf der Straße Nr. 64 auf den Weg nach Flateyri am Önundarfjördur.

Wir finden nichts Besonderes an dem Ort, kehren zurück und setzen die Fahrt auf der Straße Nr. 60 nach Thingeyri fort. Dabei durchqueren wir die Halbinsel von Nord nach Süd durch den Höhenzug Gemlufallsheidi. Oben liegt rechts und links der Straße Schnee und Schmelzwasserseen speisen die zahlreichen Wasserläufe, die sich nun von hier ins Meer (zum Fjord) hinab stürzen.

Thingeyri liegt am Dyrafjördur und kurz vor dem Ortsbeginn bemerken wir ein paar am Straßenrand parkende Autos. Ich versuche zu erkennen warum die da stehen (ohne dass es da einen Parkplatz für irgendeine Sehenswürdigkeit gibt), da sehe ich es: Robben/Seehunde liegen auf einigen Felsen unten am Wasser. Nun halten wir ein paar Meter weiter natürlich auch an und machen Bilder. Die Seehunde zeigen sich unbeeindruckt von den komischen Zweibeinern, die da mit irgendwelchen Gerätschaften (Fotoapparate, Handys) in den Vorderflossen herum hantieren.

In Thingeyri ist die Tourist Info mit jeder Menge handwerklichen Artikeln (tolle Pullis, Handschuhe, Socken etc.) in einem alten Holzgebäude untergebracht. Es ist wohl das älteste Gebäude des Ortes. Leider ist im Laden nur Cash-Zahlung möglich, da sie noch kein Kartenlesegerät erhalten haben (sie wartet täglich darauf, versichert uns die Verkäuferin). Da es auch keinen Bankautomat im Ort gibt – der nächste ist in Isafjördur, wo wir gerade herkommen – ist mit uns heute leider kein Geschäft zu machen, denn so viel Bargeld habe ich leider nicht mehr. Die Dame gibt uns noch freundlich bedauernd den Hinweis auf einen „Wikingerort“ am Ende der Siedlung. Es handelt sich aber eher um einen neuzeitlich gebauten Ort an dem an bestimmten Tagen wieder Wikinger-Brauchtum gefeiert bzw. belebt wird, aber nichts wirklich historisches. Wir suchen noch die Tankstelle auf, denn die Dame in der Info hat uns erklärt, der einzige Briefkasten im Ort sei dort. Wir werfen also dort unsere Post nach Deutschland ein, damit sind alle Karten/Briefe unterwegs. Mal sehen wie lange das von hier aus dauern wird.

Laden im ältesten Gebäude Thingeyri’s mit nur Bar-Verkauf

Von Thingeyri aus führt die Straße Nr. 60 die nächsten 30 km als Schotterpiste weiter und klettert dabei wieder auf über 700 m Höhe hinauf auf das Hrafnseyrarheidi. Wir ersparen uns das und nehmen die Abkürzung auf der neuen Trasse durch den Tunnel, denn auf unserer heutigen Route liegen noch etliche Kilometer Schotterpiste vor uns. Schon kurz nach dem Tunnel endet die Fahrfreude auf Asphalt wieder und gut geschüttelt erreichen bald danach den Fjallfoss/Dunjandifoss. Vom Parkplatz aus steigen wir entlang kleinerer, ebenfalls starker Wasserfälle hinauf zum großen Wasserfall der hoch oben über eine Kante tritt und dann – sich majestätisch auffächernd – eine leicht bauchige Steilwand hinunter fällt.

Nach den obligatorischen Fotos machen wir unten am Parkplatz an Picknick-Tischen unsere Mittagsrast. Danach setzen wir die Fahrt auf der Schotterpiste durch die Dynjandisheidi und das Naturreservat Vatnsfjordur fort. Einen Ausflug zum westlichsten Punkt Europas nach Latrabjarg machen wir nicht, denn das würde viel Zeit auf vielen Kilometern Schotterpiste bedeuten, auch wenn es sicher seinen Reiz hätte. Wir kommen auch an der ein oder anderen Badegelegenheit (Hot pots) vorbei, aber das hatten wir ja erst gestern früh. An der Küste erreichen wir nach ca. 30 km wieder Asphalt. Wir folgen dem Asphaltband entlang der Küste vorbei an den drei Halbinseln (Skálmarnesfjall, Svinanesfjall, Baejarnesfjall), um dann schon bald wieder die nächsten 20 km Schotter unter die Reifen zu bekommen. Es geht nun sehr steil hinauf und anschließend noch steiler wieder hinunter zum nächsten Fjord, in dem man die Baustelle für die neue Straße und die Querung des Fjordes erkennen kann, die aber erst 2025 fertig sein wird.

Ein Stück weiter erreichen wir bereits den Ort, den wir für heute mal als Ziel ins Auge gefasst hatten: Bjarkalundur Hotel & Camping. Schon auf dem Straßenschild ist das Camping-Zeichen durchgestrichen, das Hotel scheint Unterkunft für die Bauarbeiter zu sein und die Fläche des Campingplatzes wurde für Baugerät benötigt. Es ist auch erst kurz vor 17 Uhr, wir können noch weiter fahren. Wir biegen auf die Halbinsel Reykjanesfjall ab, wo im Weiler Reykhólar ein Campingplatz verzeichnet ist. Ein Hof, ein Guesthouse, ein kleiner Campingplatz. Eine (beheizte!) Minihütte mit genau einer Toilette, einer Dusche, einem Waschbecken und einer Waschmaschine steht bereit. Draußen noch eine Spüle. Und warmes Wasser hat’s auch. Wir sind erst nicht sicher ob wir nicht doch weiterfahren sollen. Aber die Aussicht auf diesem Platz womöglich die einzigen Gäste zu bleiben und dabei sogar noch mit Blick aufs Meer den Sonnenuntergang genießen zu können (der offiziell um 22:38 Uhr sein soll), veranlassen uns zu bleiben. Wir nutzen die Zeit mit der warmen Sonne noch zum kochen und draußen essen (Spiralnudeln mit Tomatensoße) und üben uns in der Disziplin „Käse reiben bei Seitenwind“.

Kurze Zeit später rattert die Tochter des Hofes auf einem Quad daher, unterm Arm einen Schuhkarton, und fragt an, ob wir bereit wären zu zahlen. Aus dem Karton zieht sie das Kartenzahlgerät und siehe: es funktioniert! Wir sind etwas baff, denn es gibt kein erreichbares WLAN hier am Platz.

Leider fängt es etwas später doch noch an zu tröpfeln, weswegen wir unsere Lese-/Schreibtätigkeit ins Auto verlegen. Der Regen war nur kurz und hat sich rasch wieder verzogen, aber Wolken sind noch da und haben sich vor das wärmende Gestirn geschoben. Das wird wohl nichts mit dem Sonnenuntergang um Mitternacht.

Wir knabbern noch ein paar Erdnüsse und verbringen einen ruhigen Abend als einzige Gäste auf einem winzigen Platz der noch halb im Winterschlaf liegt bei absoluter Stille. Nur die Geräusche der Natur sind noch da. Der Blick fällt auf den Snaefellsjökull in der Ferne, den 1446 m hohen Vulkan auf der Halbinsel Snaefellsnes, der in Jules Verne’s Roman „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ den Einstieg in die Innenwelt der Erde darstellt. Ein berühmter Vulkan also. Wir legen uns wieder gegen Mitternacht schlafen, nach wie vor als einzige Gäste auf dem Platz und das wird auch so bleiben.

Blau eingezeichnet die zurück gelegte Strecke – (raw Map by OpenStreetMap.org)

Km-Stand: 205.989 (260 km gefahren)

Tag 18 – Seehunde, Schotter und Einsamkeit

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