22.05.2024 (Mittwoch)

Um etwa 7 Uhr sind wir aufgewacht. Die Sonne scheint durch die Ritzen unserer Verdunkelung. Bald danach stehen wir auf. Wir haben sehr gut geschlafen in dieser ersten Nacht in unserem neu zurecht gemachten Auto und niemand hat gefroren.

Es hatte aber auch keine nächtlichen Minusgrade, sondern zwischen 1 und 3 Grad plus. Wir frühstücken und ich stelle immer wieder das ein oder andere fest, was noch nicht optimal gelöst ist. Und generell ist die dauernde Suche nach Dingen (Ich hatte doch Ordnung & System?) etwas nervig. Aber es wird besser.

Da es so schön sonnig ist steigen wir beide nochmal auf den kleinen Hügel neben dem Campingplatz um die Rundumsicht zu genießen. Mit Sonnenlicht sieht doch alles immer gleich ganz anders aus. Die umliegenden Berge strahlen mit ihren weißen Schneeflächen unter dem blauen Himmel. Postkartenwetter.

Nach der Bezahlung von 4.400 Kronen (ca. 30 Euro) am Campingplatz fahren wir nochmal zu den Puffins an den Vogelfelsen um sie heute bei strahlendem Sonnenschein zu sehen (und zu fotografieren).

Ein norwegisches „Hurtigruten-Expeditions„-Schiff liegt unweit des Felsens in der Bucht vor Anker. Menschen mit und ohne rote Jacken werden in kleinen Booten an Land gebracht. Als wir ankommen sind bereits viele dieser teils rot bejackten Menschen auf den Treppen und Plattformen unterwegs.

Einige Vögel erwischen wir auch beim Landeanflug, was für uns ungeübte Tier-Fotografen eine Herausforderung ist. Aber ein paar Bilder sind uns gelungen.

Am Parkplatz erregt ein auffälliges Gelände-Wohnmobil meine Aufmerksamkeit. Schon cool so ein Gefährt, wenngleich es mir persönlich zu groß wäre. Aber es hat was ein solches Fahrzeug hier in Island zu haben. Eine quasi voll ausgestattete, geländegängige Wohnung. In diesem Fall sogar mit einem riesigen seitlichen Frischluft-Fenster zum ausklappen. Das ist dann fast wie draussen sitzen.

Etwa eine Stunde halten wir uns bei den Vögeln auf, dann treten wir den Rückweg an. Unterwegs fangen wir am Meer entlang noch ein paar schöne Eindrücke ein, ehe wir Anlauf auf den steilen Pass nehmen.

Oben auf dem Pass legen wir einen Stopp ein um die Rundumsicht zu genießen, Fotos zu machen und Steine zu sammeln. Ein Allrad-Fahrer mit einem wirklich mächtig wirkenden 4×4 SUV hat Schwierigkeiten auf dem weichen Schotteruntergrund rückwärts zu fahren. Tja, ein teures „ich-komm-überall-durch“-Auto allein ist noch keine Garantie … man muss auch damit umgehen können.

Nach der Kurzbesichtigung eines sehr neuen Info-Containers mit Tafeln zu Flora und Fauna in der Region folgen wir der Straße Nr. 94 talwärts zurück in die Tiefebene HjaltastaðaÞinghá, durch die wir gestern schon durchgekommen sind. Immer wieder weisen Schilder darauf hin, dass man den Vögeln zuliebe langsam und vorsichtig fahren soll. Diese fliegen nicht nur tief über dem Asphalt, sie machen auch ganz gern Pausen darauf.

Für die Wanderung zu der im Reiseführer erwähnten Innri Hvannagíl-Schlucht verpassen wir den Einstieg, weil ich nicht mehr erinnerte, wann und wo das genau war. Und als ich anhielt um nachzuschlagen, waren wir längst daran vorbei und hätten einen weiten Weg zurück fahren müssen. Egal.

Nach 34 km auf der Straße Nr. 94 zweigt die Schotterstraße 944 nach rechts ab und nach rund 5 km erreichen wir rechter Hand das Flusskraftwerk Lagarfossvirkjun. Der Parkplatz beim Kraftwerk neben dem gewaltigen Fluss eignet sich zu einem Picknick oder auch Spaziergang mit Rast.

Wir verweilen hier eine Weile neben dem tosenden Fluss, ehe wir uns dem nächsten Ziel, dem Kirchhof Kirkjubær zuwenden. Das schwarz gestrichene Gebäude ist leider geschlossen und wird grade renoviert. Durch die Fenster können wir einen Blick ins Innere werfen, es bietet sich aber der Anblick einer Baustelle.

Panorama vom Parkplatz vor dem Kirchhof Kirkjubær

Das nächste Ziel an dieser Strecke ist die rekonstruierte Torfkirche Geirstaðakirkja, die kurz nach der Einmündung (wir biegen links ab) in die Straße Nr. 925 auf der linken Seite liegt. Leider ist auch sie verschlossen. Davor findet sich ausserdem ein steinernes Langboot mit aufrecht in der Landschaft stehendem Mast, jedoch ohne Segel. Von Wikingern weit und breit keine Spur.

Entlang der Straße 925 passieren wir noch eine (aus guten Gründen) gesperrte alte Brücke über ein Flüßchen und machen auch hier ein paar Fotos. Schließlich erreichen wir wieder die Ringstraße Nr.1, auf der wir unsere Reise fortsetzen.

Eigentlich wären wir gerne (wie schon vor zwei Jahren) den Pass über die Hellisheiði nach Vopnafjörður gefahren. Leider ist diese Strecke (Schotterstraße Nr. 917), die über eine knapp 700 m hohe Passhöhe führt, wegen winterlicher Verhältnisse aber noch gesperrt. Der Platzwart am Campingplatz in Bakkagerði hatte uns von einem Schneesturm zwei Tage zuvor berichtet.

Stattdessen versuchen wir also zwei andere Ziele etwas weiter abseits der Ringstraße anzusteuern:

  • das Torfhof-Museum Sænautasel, etwas weiter südlich in der Jökuldalsheiði, erreichbar über die an den Rand des Hochlands führenden Straßen Nr. 901 und 907, bis dorthin aber ohne Allrad-Pflicht.
  • den Ort Möðrudalur, der höchstgelegenen Farm Islands (469 m), ebenfalls an der Straße Nr. 901 und hier gäbe es auch eine Campingmöglichkeit

Wir fahren also etwa 35 km weiter auf der Ringstraße Richtung Süden, dabei an Höhe gewinnend in das Jökuldalur, bis zur Abzweigung der Schotterstraße 901. Schon gleich an dieser Abzweigung steht eine halbseitige (also umfahrbare) Straßensperre die verkündet, dass die Straße „unpassierbar“ sei. Da die Straßenverhältnisse, soweit überblickbar, aber nicht so schlecht aussehen, beschließe ich dennoch es zu versuchen. Man kann ja umkehren und abbrechen, wenn es sich als nicht machbar erweist. Denke ich.

Dass bereits die Abzweigung auf die 901 auf stolzen 550 m Höhe liegt hatte ich dabei nicht so recht auf dem Schirm. Und dass der weitere Verlauf der Schotterpiste sogar auf über 600 m ansteigen würde auch nicht. Aber die Piste ist für die nächsten 7,5 km bis auf zwei Stellen relativ gut befahrbar und so fahren wir weiter und biegen auch nach links in die 907 ab um uns dem Torfhof (Museum) anzunähern.

noch ist die Schotterpiste gut befahrbar ….

Die Beschaffenheit der Straße Nr. 907 unterscheidet sich von der vorigen. Sie ist etwas weicher und an mehreren Stellen muss ich Schlaglöcher langsam umkurven. Aber noch immer ist sie meist zügig befahrbar. Bis plötzlich an einem leicht abschüssigen Abschnitt eine Schneezunge von rechts über die Fahrbahn lappt. Sie ist etwa 2-3 Autolängen breit und ca. 10-30 cm hoch. So schätze ich schnell ab. Ich nutze also den Schwung und rausche darüber hinweg. Es klappt. Danach aber fühlt sich der Boden unter den Rädern wie fahren auf Schaumstoff an … der Untergrund ist butterweich …

Die Sonne scheint, es ist frühlingshaftes Wetter, der Schnee taut allenthalben. Und genau das droht nun zum Problem zu werden. Ein Stück weiter sehe ich, dass die Farbe der erdigen Fahrbahn vor der nächsten Schneezunge, die zudem deutlich mehr Höhe hat, sehr dunkel ist. Der Boden ist durchtränkt von Schmelzwasser.

Ich steige aus und gehe zu Fuß weiter um die besagte Stelle zu untersuchen. Der Boden gleicht Graberde und ist auch genauso weich. Schon beim Aussteigen aus dem Auto und auf den ersten Schritten sinken meine Schuhe einige Zentimeter tief in den schlammigen Boden ein. Je länger ich auf der Stelle stehe, je weiter ich gehe, desto tiefer sinke ich ein. Schnell wird mir klar, was das mit einem voll beladenen fast zwei Tonnen schweren Auto auf vier Rädern machen würde. Wir würden einsinken, selbst wenn wir an Ort und Stelle stehen blieben. Und wenn der Wagen aufsitzt ist die Fahrt (aus eigener Kraft) zu Ende.

Ich gehe schnellen Schrittes zurück zum Auto und sage zu Clara, dass wir sofort umkehren werden, da wir sonst einsinken würden. Also einige Meter zurück gesetzt, das bereits einsinkende Auto in diesem schwierigen Gelände gewendet und dann vorsichtig anfahrend aber mit Schwung (gegen das Gefälle) durch die Naßstelle und die zuvor durchpflügte Schneezunge zurück auf sichereren Untergrund.

es wären noch ca. 2 km gewesen bis Sænautasel(raw Map by OpenTopoMap.org)

Puh, es hat gerade so noch geklappt. Zu verdanken war das sicher den nagelneuen Winterreifen mit sehr gutem Profil und einer ordentlichen Portion Glück. Zwar habe ich ein gutes Gespür für mein Auto, auch einige Erfahrung im Fahren im Schnee mit heckgetriebenen Fahrzeugen. Aber das hier war wirklich knapp und es hätte nicht viel gefehlt und wir wären stecken geblieben. Das hätte teuer enden können, wenn wir uns in dieser abgelegenen Gegend mit fremder Hilfe hätten raus ziehen lassen müssen.

Wir haben also das Torfhof-Museum Sænautasel, leider nicht erreicht. Vermutlich wäre es ohnehin geschlossen gewesen. Wir sind einfach (mal wieder) zu früh im Jahr dran. Im folgenden Bild ist zu sehen, was wir verpasst haben.

Torfhof-Museum Sænautasel (Bild-Quelle: Guide to Iceland, Regína Hrönn)

Auch das zweite Ziel, der Ort Möðrudalur mit der höchstgelegenen Farm Islands (469 m) ist von beiden möglichen Zufahrten der Straße Nr. 901 mit „unpassierbar“-Schildern versehen. Im folgenden Bild ist die urige Tankstelle an der Farm Möðrudalur zu sehen, an der wir heute jedenfalls nicht tanken werden.

Tankstelle in Möðrudalur (Bild-Quelle: Guide to Iceland, Ulrich Latzenhofer)

Wir respektieren die „unpassierbar“-Schilder nach der grade überstandenen Erfahrung und kehren zurück auf die Ringstraße. Wir biegen links auf diese ein und setzen die Fahrt etwa 18 km fort, bis rechts die Straße Nr. 85 nach Vopnafjörður abzweigt. Gleich nach dem Abzweig ist linker Hand ein Rastplatz mit Infotafeln. Diese Infotafeln über die Straßen ins Hochland zeigen mir, dass eigentlich alles rings um Möðrudalur noch komplett gesperrt ist. Und zwar für alle Arten von Fahrzeugen. Mit richtigen Gelände-Jeeps wären Teilstrecken vermutlich machbar, aber bei so weichem Untergrund richtet man damit auch großen Schaden im Gelände an.

Wir stärken uns an dem Rastplatz mit einem Vesper und setzen danach unsere Fahrt auf der Straße Nr. 85 in Richtung Vopnafjörður fort. Nach etwa 32 km und gute 17 km bevor wir den Ort erreichen, biegen wir nach Bustarfell ab. Zum einen ist das der Name eines Berges (538 m) mit einer Steilwand und einem über eine steile Schotterstraße zugänglichen Aussichtspunkt (ca. 450 m) unterhalb des Gipfels mit Ausblick über das Tal der Sunnudalsa. Da ist aber auch ein weiteres Torfhof- und Volkskunde-Museum gleichen Namens am Fuß des Berges, das uns vielleicht ein wenig entschädigen wird.

Wir besuchen zuerst den Aussichtspunkt, fahren ein Stück die Schotterstraße hoch, lassen dann aber das Auto vor mehreren sehr tiefen Spülfurchen stehen. Wir gehen zu Fuß weiter und genießen die Aussicht rundherum. Schneebedeckte Berge, breite Täler, eine Flussmündung und in der Ferne das Meer. Weite.

Als wir uns satt gesehen haben steigen wir wieder hinunter. Das Auto ist noch da 🙂

In dem Tal der Sunnudalsa, unterhalb der Steilwand, liegt das Torfhof-Museum mit Café. Leider öffnet das Café erst ab dem 1. Juni. So bedeutet das für mich: der zweite Tag ohne Kaffee am Nachmittag!
Dafür sind die Museumsgebäude teilweise offen (also unverschlossen) und man kann eintreten und sich umsehen. Es ist aber keine Person anwesend die etwas darüber erzählen könnte. Da es im Innern der Gebäude recht feucht wirkt, sind sie vielleicht vor allem zum trocknen geöffnet worden. Es ist nun kurz vor 18 Uhr und um diese Zeit würde das Museum ohnehin schließen.

Wir fahren noch vor ans Meer und entlang des Fjords und treffen dort auf den anderen Teil der Passstraße Nr. 917. Auch hier stehen Hinweisschilder mit „unpassierbar“. Ist ja eigentlich logisch. Da im Reiseführer aber auch von Felsformationen entlang der Küste zu lesen war, fahren wir die 917 etwa 10 km weiter. Wir finden einen Wasserfall, diverse Vögel, Basaltformationen und eine filigrane Felsnadel.

Dabei lassen wir es dann bewenden. Keine weiteren Abenteuer heute. Wir fahren auf der Straße Nr. 917 zurück bis in den Ort Vopnafjörður und steuern den dortigen Campingplatz an. Als ich am kochen bin kommt die Besitzerin um zu kassieren. Heute gibt es Reis und Gemüse. Nach dem Essen und dem Abwasch machen wir noch einen kleinen Spaziergang zum nahe gelegenen Leuchtturm Kolbeinstangi.

Kurz vor dem Leuchtturm passieren wir ein Gehöft. Ein Mann kommt heraus und sucht das Gespräch mit uns. Seine ganze Leidenschaft gilt den gefiederten Freunden und wahrscheinlich hatte er gehofft, wir seien Vogelkundler. Aber wir sind ja leider nur gewöhnliche Touristen …

Jedenfalls scheint er alles über die lokale Vogelwelt zu wissen. Über den Leuchtturm weiß er zu berichten, dass er 1934 erbaut wurde und über besondere Prismengläser verfügt. Seit alle Schiffe über Satelliten-Navigation verfügen, wird er aber nicht mehr genutzt.

Auf dem Rückweg zum Campingplatz fallen uns einige rostende Geländewagen und bröckelnde Häuserfassaden auf. Vieles hier hat wohl schon mal bessere Zeiten gesehen. Wieder am Platz schreiben wir unsere Eindrücke in unsere Tagebücher und gehen schlafen. Es ist 23 Uhr und taghell. Gute Nacht.

Km-Stand: 230.178 (243 km gefahren)

Tag 6 – Viel Sonne und eine Portion Glück

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