23.05.2024 (Donnerstag)

Um ca. 9:30 Uhr starten wir so ziemlich als letzte vom Campingplatz, obwohl wir schon um 7:30 Uhr aufgestanden sind. Irgendwie dauert es fast immer eine Stunde, bis das Frühstück fertig und das Auto wieder für den Tag umgebaut ist. Und eine weitere Stunde, bis wir gefrühstückt haben und wir anschließend reisefertig sind. Aber hey, wir sind im Urlaub und nicht auf der Flucht.

Wir verlassen Vopnafjörður auf der Straße Nr. 85 nordwärts und biegen nach ca. 10 km links ab ins Selárdalur. Wir wollen das dortige Bad Selárdalslaug besuchen – obwohl gleich am Anfang der etwa 5 km langen Schotterpisten-Zufahrt ein Schild mit dem Hinweis „closed“ steht und uns wenig Hoffnung auf ein morgendliches Schwimmvergnügen macht.

Als wir gegen 10 Uhr vor dem Bad stehen ist auch tatsächlich alles zu und ein Aushang weist auf den 1. Juni hin. Später erfahren wir von anderen Reisenden die gegen 12 Uhr dort waren, dass vier Menschen darin gebadet hätten. Ich nehme an, das waren dann Einheimische oder die Besitzer selbst.

Ein wenig enttäuscht kehren wir zurück zur Straße Nr. 85 und setzen die Fahrt in Richtung Bakkafjörður fort, wo wir am Ende der Straße auf die Ruinen des alten Hafens von 1946 treffen. Er wurde schon in den 1960er Jahren aufgegeben, weil er für die inzwischen größeren Schiffe und wegen der Schwierigkeit dort bei häufig starkem Wind anzulegen, nicht mehr geeignet war. An der wohl einsamsten Zapfsäule füllen wir aber unseren Tank für stolze 326,1 ISK pro Liter E10-Sprit, das entspricht etwa 2,18 Euro!

Wir unternehmen in der Nähe eine kleine Wanderung zum Leuchtturm Svartanes. Dazu lassen wir unser Auto in der Nachbarschaft einiger Fisch-Trockengestelle stehen und wandern an einem verlassenen Gehöft vorbei, von dessen Äußerem und Inneren wir ein paar Fotos machen. Total verrostete alte Öfen und Heizkörper, eine Küchenhexe, Toilettenspülkästen, Regale, Bettgestelle, ein Diwan. Alles am verrotten. Im Flur stapeln sich noch fünf Zementsäcke, zwischenzeitlich komplett zu hartem Stein geworden, ohne das Verpackungs-Papier drumherum. Da hatte wohl noch jemand vor etwas zu arbeiten, es kam dann aber allem Anschein nach nicht mehr dazu. Was mag wohl die Geschichte dahinter sein?

In einem turmartigen Nebenbau ohne Dach liegen Stangen, als hätte darin jemand Mikado gespielt. Etwas weiter steht dann der Leuchtturm in der selben schlichten viereckigen Bauweise der 1930er Jahre wie schon der bei Vopnafjörður. Dieser Zweck-Architektur ist nicht viel abzugewinnen, wir werden sie noch öfter sehen. Auf dem Rückweg begleiten uns die allgegenwärtigen Eissturmvögel mit ihrem charakterstischen Ruf und ihren Flugschau-reifen Kapriolen in der Luft.

Wieder zurück beim Auto nehmen die Strecke nach Þórshöfn an der Halbinsel Langanes unter die Räder. Linker Hand kommen wir an einer schönen, aber leider verschlossenen Kirche vorbei. Ein Stück weiter geben wir unserem Hungergefühl nach und erreichen passend dazu einen kleinen Parkplatz mit drei Basaltstelen, auf denen an einen isländischen Dichter/Schriftsteller erinnert wird. Bewacht werden die drei Stelen von einem Mutterschaf mit ihren Jungen.

In Þórshöfn lassen wir den Flughafen (Flugvöllur) links liegen und fahren auf der Schotterpiste Nr. 869 weiter, an einer weiteren geschlossenen Kirche (der Kirche von Sauðanes) vorbei. Unser Ziel war eigentlich der Leuchtturm Grenjanes, aber wir verpassten wohl die Abzweigung (war wohl mehr ein Weg als eine Straße) und fuhren daher zunächst weiter hinaus auf die Halbinsel in Richtung des Leuchtturms Fontur. Dieser liegt uns aber zu weit draußen und wäre für uns (in Ermangelung eines Allrad-Geländewagens) nur durch eine mehrstündige Wanderung zu erreichen.

Wir beschließen daher an einer Brücke zu wenden und fahren zurück zur oben erwähnten Kirche. Auch sie wird grade umgebaut oder renoviert und das angeschlossene Museum hat erst ab Juni geöffnet.

Also kehren wir zurück zur Straße Nr. 85 und folgen dieser weiter in nordwestlicher Richtung auf die Halbinsel Melrakkaslétta. Vor zwei Jahren fuhren wir hier in einer trüben Nebelsuppe und sparten die Umrundung der Halbinsel mangels Sicht aus. Wir blieben damals auf der Straße Nr. 85 und kürzten über die Hólaheiði ab. Heute aber lädt strahlender Sonnenschein zur Fahrt um die Halbinsel auf der über 75 km langen Strecke ein, von denen etwa 54 km Schotterstrecke sind.

Doch zuvor folgen wir einem im Reiseführer empfohlenen Abstecher zum Parkplatz Rauðanes, um von dort eine Wanderung entlang der Steilküste mit ihren ausgewaschenen Höhlen, bizarren Basalt-Felsformationen und einigen Vogelfelsen zu machen. Die Zufahrt wird schon bald weich unter den Rädern und man merkt, dass es vor einigen Tagen hier noch sehr viel nasser gewesen sein muss. Tiefe Spurrinnen erfordern Konzentration und Geschicklichkeit – und etwas mehr Bodenfreiheit als 15 cm wären auch gut. Da unser „blaues Wunder“ das aber nicht hat und wir nichts riskieren wollen, lassen wir das Auto etwa einen Kilometer vor dem Parkplatz Rauðanes an einer geeigneten Stelle stehen und gehen zu Fuß weiter.

Der Pfad führt erst durch niederes Buschwerk oberhalb der Steilküste entlang, etwas später dann auch hinab an den Strand, an dem wir ein gutes Stück entlang gehen.

Schließlich steigen wir wieder vom Strand hinauf und genießen auf dem Rückweg den Ausblick übers Nordmeer. Etwa zwei Stunden sind wir hier bei schönstem Wanderwetter unterwegs.

Nach diesem herrlichen Ausflug, bei dem auch wieder einige Fundstücke in unsere Taschen gewandert sind, kehren wir zurück zum Auto und hoppeln über den Schotter zurück zur geteerten Hauptstraße.

Die erste Möglichkeit, von der Straße Nr. 85 auf die Küstenroute entlang der Halbinsel Melrakkaslétta abzubiegen, wäre die Schotterpiste Nr. 875, aber deren Zustand sieht so gar nicht gut aus. Also steuern wir die nächste („zivilere“ weil asphaltierte) Abzweigung der Straße Nr. 874 nach Norden in Richtung Raufarhöfn, der nördlichsten Stadt Islands an.

Wir folgen zunächst also noch der Straße Nr. 85 und durchfahren eine beeindruckende Szenerie aus Schneeresten, Schmelzwasserseen mit eisblauem Wasser und der allmählich ergrünenden Moos- und Heidelandschaft. Nach dem Abzweig auf die Straße Nr. 874 setzt sich dieses Landschaftsbild fort. Auf einer Passhöhe machen wir Rast und vespern etwas und fahren dann hinunter nach Raufarhöfn.

Panorama von der Passhöhe kurz vor Raufarhöfn

Der Campingplatz befindet sich gleich am Ortseingang rechts. Wir hatten nun drei Tage schönstes Wetter, doch jetzt wird es wolkig und neblig und ein eisig kalter Wind weht aus Nordosten heran. Am Ortsende befindet sich das Monument „Arctic Henge“ und wir beschließen, uns dieses und den Leuchtturm gleich jetzt noch anzuschauen, ehe man nichts mehr sieht. Und auch morgen soll es erst einmal regnen.

Der „Arctic Henge“ ist eine moderne Idee (siehe Infotafel), die sich am britischen Stonehenge anlehnt. Seit 2004 wird bereits an ihm gebaut, er ist aber noch immer nicht fertig gestellt. Der aus Nordosten aufziehende Nebel vor der noch immer relativ hoch im Westen stehenden Abendsonne verbreitet eine mystische Stimmung die sehr gut zu diesem Ort passt.

Wir statten dem Leuchtturm noch schnell einen Besuch ab, bevor auch er im Nebel verschwindet. Der in knalligem Orange gehaltene, gedrungene Turm steht etwas oberhalb des Ortes auf einer Anhöhe über dem Meer, von wo aus man eine tolle weite Sicht hat – bis Nebel aufkommt. Und dann versteht man auch, warum der Turm orange ist und warum die Steine entlang der Fahrbahn grellgelb lackiert sind.

Von dem jetzt ungemütlich werdenden Hügel begeben wir uns zum sehr einfachen kleinen Campingplatz, wo wir die Nacht mit drei anderen Campern verbringen (2 x DE, 1 x CH). Und da es inzwischen sehr windig ist und nur noch 2-3 Grad hat, kochen wir im Auto. Der Einfachheit halber ein Nudelgericht: Orecchiette mit einer Champignon-Sahne-Soße und den letzten paar Möhrchen aus dem dänischen Spar in Hirtshals als Farbtupfer (die müssen langsam weg).

Der Abwasch nach dem Essen funktioniert erst nicht so recht, da es kein warmes Wasser an den Spülbecken gibt. Ich hole mir welches aus dem Rinnsal namens Dusche, dann geht’s. Da es spät geworden ist und wir beide recht müde sind, gehen wir heute ohne zu Schreiben schlafen.

Clara’s Polarlichter-App weist für die „Nacht“ eine hohe Wahrscheinlichkeit aus, ab etwa 23:27 Uhr Polarlichter beobachten zu können. Da aber erst um 23:24 Uhr Sonnenuntergang und um 2:36 Uhr bereits wieder Sonnenaufgang ist, es also gar nicht wirklich dunkel werden wird, dürfte das schwierig werden. Zumal der Himmel komplett bedeckt ist. Wir schlafen ein ohne welche zu sehen.

Km-Stand: 230.372 (194 km gefahren)

Tag 7 – Entlang der Nordostküste

Beitragsnavigation


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert