25.05.2024 (Samstag)
Früh um 5:26 Uhr wache ich auf. – Warum? – Weil es warm ist im Auto. Was sicherlich daran liegt, dass die Sonne bereits seit mindestens zwei Stunden hell vom strahlend blauen Himmel aufs Auto „brennt“. Um 6:30 Uhr stehe ich deshalb auf und mache unser Frühstück zurecht.
Nach dem Abwasch- und Toiletten-Ritual ziehen wir dann um 8:30 Uhr los, um bei diesem herrlichen und frühlingshaft warmen Wetter auf den Felsblock Eyjan („die Insel“) zu steigen. Der liegt wie ein etwa 70 Meter hohes Tortenstück mitten im Bogen des hufeisenförmigen U der Schlucht. Eben wie eine Insel. Es ist tatsächlich T-Shirt- und kurze Hosen Wetter, und es soll bis zu 19 Grad warm werden heute. Das ist für Island praktisch ein Hochsommertag!
Oben auf dem Eyjan-Felsplateau weht aber so früh noch ein kühler Wind und ein Pulli ist durchaus noch angebracht. Der Blick in jede Richtung ist bombastisch. Kein Vergleich mit den Verhältnissen, die wir zwei Jahre zuvor hier hatten (siehe hier). Interessant zu sehen, wie die Natur jetzt langsam aus ihrem Winterschlaf erwacht, wie Laubbäume erste Blätter ansetzen, das Moos sein Wintergrau allmählich verliert und rötliche und grüne Töne annimmt. Es entwickelt sich eine Vielfalt an Farben und bei rund 20 Stunden Tageslicht kann die Natur jetzt mit der Aufholjagd des Frühlings beginnen.
Wir folgen dem markierten Rundweg auf dem Plateau, machen vorne an der nach Süden zeigenden Spitze eine kurze Pause und kehren gegen 11 Uhr zum Camping-Parkplatz zurück. Mit dem Auto fahren wir die im hufeisenförmigen Tal verlaufende Stichstraße etwa 2,5 km bis zum Parkplatz am Ende des Tals und wandern auf den dort ebenfalls markierten Wegen zu dem kleinen See Botnstjörn direkt unterhalb der 70 Meter hohen Felswand. Von oben fällt ein schmaler Wasserfall herunter und speist den kleinen See. Da dieser die meiste Zeit des Tages im Schatten liegt, ist die linke Hälfte noch immer zu großen Teilen gefroren, während in der rechten Hälfte viele Wasservögel, vor allem Pfeiffenten umher schwimmen.
Wir lauschen der angenehmen Stille …. bis andere Touristen kommen. Als wir zurück sind am Parkplatz, kommt gerade ein Reisebus voller Menschen an. Deren erstes Ziel: Das Toilettenhäuschen. Bloß schnell weg hier. Wir fahren die Stichstraße zurück zum Camping-Parkplatz, nutzen dort die Toiletten und füllen unsere Wasserflaschen sowie den 12 Liter Wassertank mit Frischwasser auf und fahren hinüber zum Info-Center des Jökulsárgljúfur Nationalparks, wo wir das Auto parken. Von hier aus folgen wir dem Pfad mit den Nummer(n) 7/8/9 bis zur linksseitigen Felswand. Hier steigen wir über Eisen-Treppen und Leitern mit Drahtseilsicherung hinauf und wandern dann entlang der oberen äußeren Schluchtkante südwärts bis zum Wasserfall.
Kurz vor erreichen des Wasserfalls treffen wir auf einen kleinen idyllischen Teich am Wasserlauf, der schönste denkbare Rastplatz! Zwar ist rundherum alles leicht feucht, aber wir ziehen dennoch die Schuhe aus und gehen barfuß über das Gras und Moos. – Das fühlt sich wunderbar an!
Nach der Rast begeben wir uns nach vorn an die Stelle, an der das Wasser zum (dünnen) Wasserfall wird und die etwa 70 Meter zum halbgefrorenen See Botnstjörn hinunter stürzt. Der Wasserlauf vor dem Fall ist aber eigentlich um vieles sehenswerter. Ausgewaschene Wasserbecken im Gestein, durch die sich anmutig das in der Sonne glitzernde Wasser bewegt.
Die Aussicht und das Panorama zurück in die Schlucht, auf beide Seiten des Hufeisen-Bogens und in der Mitte auf den Block Eyjan, der dort wie ein Kuchenstück mit der Spitze zu uns gerichtet liegt, sind atemberaubend. Im Talgrund die noch kahlen Birken, etwa 2-4 Meter hoch, die erstes Grün ansetzen. Und dazwischen die immergrünen Nadelbäume. In der Ferne am Horizont die Ketten schneebedeckter Gipfel der Tjörnes-Halbinsel auf der linken, sowie der Öxarfjarðarheiði auf der rechten Seite. – Grandios!
Wir kehren auf dem selben Pfad zurück zum Info-Center und machen dort eine stärkende Rast auf der sonnigen Terrasse. Im Info-Center sitzt jetzt die junge Dame, die auch heute Morgen am Campingplatz kassierte. Sie arbeitet für den Jökulsárgljúfur Nationalpark zu dem dieses Gebiet gehört und nimmt hier verschiedene Aufgaben wahr. Während wir hier sitzen, schaue ich mir auch noch einmal die Webseite mit den Verkehrsinfos und Straßenzustandsberichten (https://umferdin.is) an. Danach storniere ich unsere Mietwagen-Reservierung, da ich es nicht mehr als wahrscheinlich ansehe, dass wir ins Hochland fahren können. Ich werde unsere diesbezüglichen Pläne im nächsten Beitrag (Tag 10) noch etwas erläutern.
Als nächstes hatten wir vor, auf der Straße Nr. 85 in westlicher Richtung um die Tjörnes-Halbinsel nach Húsavík zu fahren. Aber bei diesem Wetter wären auch die in der Nähe liegenden Wasserfälle Dettifoss und Selfoss ein lohnendes Ziel und würden sich bestimmt schöner zeigen als vor zwei Jahren bei grauem Himmel. Einen Moment sind wir unschlüssig, als wir langsam am Abzweig der Straße Nr. 862 nach Süden zu besagten Wasserfällen vorbei fahren. Dann wenden wir schnell und steuern die Wasserfälle an. 🙂
Unterwegs bemerken wir noch ein paar weitere Hinweisschilder zu anderen touristisch interessanten Orten. Es ist etwa 17 Uhr, als wir am (für diese Zeit) recht vollen Parkplatz ankommen. Hier tummeln sich viele Mietwagen und Wohnmobile. Ein Mainzer Ehepaar mit einem silbernen FIAT-Wohnmobil, das wir seit dem Campingplatz in Vopnafjörður (Tag 6) schon einige Male getroffen haben, ist auch da. Wir wandern über schmelzenden Schnee, nassen Lavasand-Matsch und trockenen Boden zur Aussichtsplattform über dem Dettifoss. Die aufsteigenden Wasserschleier in Verbindung mit dem Sonnenlicht bilden diverse Regenbögen über der Szenerie. Menschen verschiedenster Nationen die sich hier ungeplant begegnen, posieren in zahllosen Selfies unter Nutzung dieser geradezu idealen Instagram-Bedingungen.
Wir entscheiden uns, auch den etwas weiter südlich gelegenen Selfoss zu besuchen. Dort hat es schon deutlich weniger Menschen, obwohl auch das ein beeindruckender Wasserfall ist. Man kommt wegen der Schneeschmelze und gesperrter (weil zugeschneiter) Wege aber nicht so nah ran wie damals vor zwei Jahren. Da lag zwar auch Schnee, aber offenbar ist dieser hier noch relativ frisch (und schmilzt gerade). Dafür führt der Fluss viel mehr braun-graues Schneeschmelze-Wasser.
Auf dem Rückweg nach Ásbyrgi folgen wir dem Hinweis zum Hafragilsfoss und erleben das Kontrastprogramm: ein vollkommen leerer Parkplatz, wir sind die einzigen Besucher. Wir gehen auf einem frisch angelegten, geteerten Fußweg zu einer noch im Bau befindlichen Aussichtsplattform. Auch hier kein Mensch. Vermutlich wird der Ort noch nicht beworben, weil er noch nicht fertig ist. Der richtige Saisonstart kommt erst noch, bis dahin ist das Bauwerk dann sicher fertig gestellt. Als wir zurück am Parkplatz sind, sind auch die Mainzer da. 🙂
Auf der Weiterfahrt kommen noch zwei Hinweise. Zum ersten ist die Straße gesperrt. Zum zweiten führt eine 3 Kilometer lange Straße auf einen Berg hinauf (Langavatnshöfði). Oben finden wir einen sehr neu wirkenden Parkplatz mit einem WC-Häuschen. Daneben ein einzelnes Auto. Auf dem einzigen und ebenfalls neu angelegten Fußweg gelangen wir nach rund 300 Metern zu einer angelegten Aussichtsstelle mit Sitzgelegenheiten, die einen wirklich phantastischen Blick bietet ins Tal der Jökulsá á fjöllum, den Fluss der von den vorhin besuchten Wasserfällen kommt und in Jahrtausenden dieses Tal geformt hat. Die Uferfelsen bilden einen Canyon aus beeindruckenden Basaltformationen unterschiedlichster Art.
Die letzten 15 km auf der Straße Nr. 862 zurück zur Nr. 85 fahren wir durch eine dahinschmelzende Schnee- und Eispracht. Weißblaue Eiswasserseen, Rinnsale und Pfützen begleiten den Verlauf der Straße. Die Geschwindigkeitsbegrenzung außerhalb geschlossener Ortschaften liegt in Island bei 90 km/h, aber dank des starken Rückenwindes rollt unser „blaues Wunder“ fast von selbst mit 110 km/h über die gut ausgebaute und verkehrsarme Strecke. Mit „pneumatischem Heckantrieb“ sozusagen. 🙂
Zurück auf der Straße Nr. 85 nehmen wir Kurs auf Húsavík. Nach etwa 30 km erreichen wir einen Aussichtspunkt hoch über dem Meer mit Blick über den Öxarfjörður und ins Hinterland. Damit an diesem schönen Platz nicht wild übernachtet wird, steht hier ein Schild mit dem Hinweis auf einen Campingplatz in 12 km Entfernung, also noch vor Húsavík. Wir sind gespannt, denn der Platz ist auf unserer Karte nicht eingezeichnet. Es scheint aber der zu sein, der in unserem Reiseführer mit Empfehlung beschrieben ist.
Wir finden ein großes, weitläufiges Wiesengelände ohne jeden Windschutz, dafür aber mit bestem Meerblick vor. Wir werden freundlich begrüßt und auch sofort abkassiert. Mit 3.500 ISK (ca. 24 Euro) für uns und unser Auto ist dies einer der günstigeren Plätze. Der Name „66.12 North“ bezieht sich auf die Lage am 66. nördlichen Breitengrad (genauer: 66 Grad, 12 Minuten nördlicher Breite).
Da es heute mit 20:30 Uhr relativ spät wurde mit der Ankunft, muss es nun mit dem Essen schnell gehen. Es soll daher die in Camper-Kreisen berüchtigten Ravioli geben. Allerdings nicht aus der Dose, sondern aus dem Beutel, der im Wasserbad erhitzt wird. Ich weiß genau dass wir die dabei haben. Aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wo ich sie verstaut habe. Nach intensiver Suche landen sie zu guter Letzt im Teller und machen uns einigermaßen satt. Warm gemacht wurden sie in der Gemeinschaftsküche mit Aufenthaltsraum und gegessen ebendort an Tischen, im Warmen und ohne Wind.
Nach der Mahlzeit schreiben wir unsere Reisenotizen und laden mein Laptop am Stromnetz auf, damit wir später noch Bilder von Clara´s Handy auf mein Laptop übertragen können, da ihr Handy Probleme mit dem Speicher hat (zu viele Bilder).
Nachdem auch das erledigt ist – und weil wir direkt am Meer sind – wollen wir vor dem Schlafen noch den Sonnenuntergang verfolgen. Um 23:28 Uhr soll es heute soweit sein. Ein halbe Stunde noch. Als es soweit ist wird noch viel fotografiert, dann geht´s ab ins Bett. Es braucht aber seine Zeit, die Sonne sinkt hier langsamer als zuhause.
Nach diesem langen, sonnigen Tag mit vielen Eindrücken und mehreren Wanderungen, sind wir beide rechtschaffen müde und sagen: Gute Nacht!
Km-Stand: 230.603 (123 km gefahren)