05.06.2024 (Mittwoch)

Nach dem üblichen Morgenritual starten wir gegen 9:30 Uhr unseren Reisetag mit einer kurzen Runde durch Patreksfjörður. Wir tanken zur Sicherheit nochmal voll, denn auf dem Abschnitt zu unserem heutigen Ziel, Látrabjarg am Westzipfel Islands mit seinen Vogelklippen, gibt es keine Tankstelle mehr.

zum Abschied einige Eindrücke von Patreksfjörður

Wir folgen der Straße Nr. 62 und biegen am Fjordende nach rechts auf die Straße Nr. 612 ab. Kurz darauf liegt am Strand ein vor sich hin rostendes Schiffswrack mit dem klangvollen Namen Garðar BA 64. Wie viele einfache Schiffe hatte es ein bewegtes Dasein, aber am Ende keine Zukunft mehr. Eine gewisse Zeit wird es sicher noch als Touristen-Attraktion dienen können.

Nach weiteren 9 Kilometern, inzwischen bereits wieder auf einer Schotterpiste, folgen wir an einer Abzweigung der Straße Nr. 614 nach links zum Rauðasandur, dem „Roten Strand“ .

Die nächsten 10-15 km führen als teils sehr löchrige und staubige Schotterpiste in südlicher Richtung, in Höhen steil und eng hinauf und wieder in engen Kehren eine Art Schlucht hinab, um dann einen grandiosen Ausblick auf das Mündungsgebiet bzw. die Lagune zu bieten, durch die blaugrün ein Fließgewässer dem Meer zu mäandert, vor dem sich rötlicher Sand ausbreitet. – Eben Rauðasandur.

Als sich – unten angekommen – die Straße gabelt, folgen wir ihr erst nach rechts bis zu einer kleinen Kirche und parken dort, um hinaus zum Strand zu wandern. Erst geht es durch Marschland, in dem Schafe grasen und es sich gemütlich machen. Dann durch Prile und kleine Kanäle und über einen sanften Dünenwall.

Wir sammeln Sand in einer gefundenen Plastiktüte, aber auch anderen Müll der hier nicht hin gehört. Clara baut eine Sandburg, was Kinder halt so machen, wenn sie in einem großen Sandkasten sitzen. 🙂

Der Anblick der sich uns in allen Richtungen bietet ist wirklich schwer zu beschreiben, zumal bei diesem herrlich sonnigen Wetter, das so richtig für die Entfaltung der Farben sorgt. Da ist das glitzernde Meer, der rote Sand, der blaue Himmel und rundherum diese wilde Küstenlandschaft mit ihren kargen hohen Bergen. Und wir stehen mitten drin und werden vom starken Wind durch gepustet.

Danach fahren wir auf die linke Seite der Bucht und machen dort an den Sitzbänken beim Campingplatz Mittagsrast. Eine Schulklasse kommt mit einem der hier üblichen und notwendigen Hochland-Busse an. Ich stelle mir vor, wie der wohl die Kehren auf der Serpentinen-Straße genommen hat.

Wir fahren nach unserer Mahlzeit die steilen und staubigen Kehren wieder zurück zur Straße Nr. 612 und nehmen uns dann die folgenden 39 km Schotterpiste nach Látrabjarg, dem Vogelschutzgebiet am Westende Islands vor. Erneut eine sehr staubige und mitunter löchrige Angelegenheit.

Schlaglöcher sind offenbar Rudelwesen, die alle gleichzeitig unter unser Auto wollen. Nur nicht drängeln! 🙂

Verlauf der Piste: erst flach am Hang entlang, dann steil die Schlucht hinauf

… dann weiter auf dem Weg nach Látrabjarg

Látrabjarg ist eine 14 km lange Steilklippen-Küste (Achtung: ungesicherte Klippen!), an deren Steilfelsen von bis zu 400 m Höhe Hunderte, wenn nicht Tausende Vögel im Frühsommer brüten. Also genau jetzt.

Nur ein bis zwei Wölkchen zieren den strahlend blauen Himmel, aber es bläst ein ziemlich starker und kalter Wind. Etwa 1-2 km wandern wir die Klippen entlang und beobachten, bewundern, fotografieren und filmen wir die Vögel bei ihren Flugkünsten. Man könnte stundenlang die ganze Klippen-Küste entlang wandern. Es sind natürlich auch andere Fotografen da, mit teils wirklich riesigen Objektiven. Wahre Rohre.

Video: Vögel (überwiegend Dreizehenmöwen) über dem Meer und am Einschnitt an einer Felsklippe
Video: Vögel (Dreizehenmöwen) nutzen die Thermik am Einschnitt einer Felsklippe zum Segeln

Clara hat das Verhalten dieses blau-roten Vogels umfassend dokumentiert 🙂

Wissenwertes und Interessantes über Látrabjarg

Die Umstände der oben genannten heldenhaften Rettung am Látrabjarg sind übrigens auch in einem beeindruckenden Zeitdokument verfilmt worden. Die näheren Umstände dazu sind fast unglaublich.
Die Doku trägt den Titel Die Rettungstat am Látrabjarg – 1948/1956 (Youtube).

Wir machen uns inzwischen Gedanken darüber, wo wir übernachten wollen. Wir könnten hier bleiben und auf der freien Campingwiese stehen, wo der Sonnenuntergang heute Abend sicher phantastisch sein würde (Sonnenuntergang 00:10 Uhr, Sonnenaufgang 02:38 Uhr). Oder aber wir fahren die staubigen Pisten ein Stück zurück und übernachten bei Breidavík auf den Campingplatz, wo es allerdings ziemlich stürmisch werden dürfte, denn die Bucht dort liegt zum offenen Atlantik hin. Oder wir fahren noch ein Stück weiter.

Clara’s Wind-App meint, dass hier an der Westspitze die Sturmausläufer in der Nacht ziemlich ungemütlich werden. Wir ziehen es daher vor, die Zeit erst einmal für eine Kaffee-Pause zu nutzen. Das Fahrzeug-Heck ist dem Wind abgewandt, und so kann ich hinter dem Auto einen Eigenbau-Cappuccino für mich und einen heißen Kakao für Clara zubereiten.

Parkplatz, sandige Heckklappe, Heck-Küche

Nach einem kleinen Spaziergang um den Leuchtturm und seine Umgebung, entscheiden wir uns Látrabjarg zu verlassen und die staubigen Pisten zurück in die Zivilisation zu fahren bis zur Straße Nr. 62 und irgendwo in einer windabgewandten Gegend einen Platz für die Nacht zu suchen.

Unterwegs halten wir am Hof Hnjótur kurz an, wo vor einem alten Hangar die kläglichen Überreste eines „Rosinenbombers“ der US-Navy stehen. Drumherum sind allerdings auch noch andere Raritäten, wie alte Fahr- und Flugzeugteile, Fahrwerke, ein Feuerwehrauto und ein IcelandAir Mercedes LKW zu sehen.
Das Museum nebenan interessiert uns weniger, es hat ohnehin schon zu.

Als wir die Straße Nr. 612 komplett zurück „gestaubt“ sind und wir wieder den Asphalt der Straße Nr. 62 unter den Rädern haben, ist es etwa 19 Uhr. Die kurvige Straße führt auf über 400 m Höhe hinauf auf die Kleifaheiði.

Von einem Park- und Rastplatz dort oben bietet sich uns ein weiter Blick zurück über den Ósafjörður und in eine Schlucht, die sich hinunter zieht ins Kleifadalur. Der 1947 von Straßenbauarbeitern errichtete Steinmann Kleifabúi wacht mit strengem (steinernem) Blick über den Pass und mag an nebligen Tagen für umher Irrende als ungefähre Wegmarke dienen.

vom Ósafjörður über die Kleifaheiði und auf der anderen Seite hinunter zum Breiðafjörður

Wir wollten eigentlich bis Flókalundur fahren, sehen aber schon einige Kilometer vorher eine einfache Campingwiese direkt am Meer und schweben hier ein. Nach kurzem Nachdenken und Erkunden der Gegebenheiten, beschließen wir, an diesem sehr einfachen aber windgeschützten Platz zu bleiben. Er liegt nach Süden und hat im Rücken hohe Berge, die den Wind etwas abhalten und das ist gut so. Außer uns sind nur drei andere Fahrzeuge da.

Kochen kann ich hinten am Auto, das Essen nehmen wir draußen an unserer Klapptisch-Garnitur im Sonnenlicht zu uns. Allerdings sorgt der kalte Wind dafür, dass die Tortellini mit Zucchini-Tomatensoße schnell kalt werden und dass der Pecorino Reibekäse wieder „vom Winde verweht“ wird, ehe er auf der Pasta landen kann.

Nach dem Abwasch mit eiskaltem Wasser und bis zur Taubheit kalten Fingern, muss das Auto-Innere wenigstens oberflächlich „entstaubt“ werden, bevor wir uns schlafen legen können. Dazu räumen wir alles raus, schütteln und klopfen es aus und wischen es oberflächlich ab. Der Staub der heutigen rund 120 Kilometer (!) Schotterpisten ist überall eingedrungen, in alle Ritzen, Schlitze und durch alle Dichtungen.

Auch die Sachen in den Schubladen der CampingBox unter dem „Bett“, alles voller feinstem Sandstaub. Das muss alles raus. Wir wollen ja nicht als Sandmännchen aufwachen, auch wenn es jetzt schon da war. 😉

nach dem Abendessen: das Gesamte Inventar einmal gründlich „entsandstauben“

tolles Panorama von unserer Campingwiese aus

Als die Sonne hinter dem Berg verschwindet wird es noch kälter. Vor uns breitet sich der Breiðafjörður aus und die Sicht reicht bis hinüber zur Snæfellsnes-Halbinsel mit ihren schneebedeckten Gebirgszügen.

Blick über den Breiðafjörður zur Snæfellsnes-Halbinsel (montiertes Bild)

Wir bringen alles schnell zu Ende, um uns in die ausgeklopften Schlafsäcke zu verkriechen. Ich wärme noch Clara’s kalte Füße mit meinen inzwischen wieder aufgetauten Händen, dann schlafen wir ein.

Unsere heutigen Aktivitäten und Wege – (raw Map by OpenStreetMap.org)

Km-Stand: 232.336 (178 km gefahren)

Tag 20 – Staubige Pisten, roter Sand und hohe Klippen

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